Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition)
Jakob.
»War dieser Trick eigentlich mit dir abgesprochen?«
»Nein, ich habe das nicht gewusst. Aber es heißt doch, alle Unterlagen sind noch da. Irgendwo. In Georgs Unterkunft. Auf seinem Computer. Wir werden sie finden. Wir werden alles zusammenführen, was wir haben.«
»Wir werden nichts finden«, sagte Mara.
»Überlass das mir. Ich bin Computerexperte, schon vergessen? Georg wohnte in einem Zimmer in der Diözese. Aber man muss heute nicht mehr persönlich irgendwo einbrechen, um an Daten zu gelangen.«
»Er hat alles gelöscht. Alles zerstört. Das heißt, er hat nicht nur das getan. Er hat die Sachen versteckt.«
Jakob sah sie überrascht an. »Woher weißt du das?«
»Ich habe doch mit ihm gesprochen – kurz bevor er starb.«
Und ich frage mich, wo du eigentlich in der Zeit warst, setzte sie innerlich hinzu. Was hast du getan? Bist du unten bei den Gaffern gewesen?
Das Misstrauen versetzte ihr einen Stich, aber dann sagte sie sich, dass sie über Jakob nicht urteilen konnte. Natürlich hatte er Angst gehabt, weil ein Bewaffneter da unten herumlief. Und sie war auf die Brücke gelaufen, weil … Ja, warum eigentlich? – Weil sie glaubte, die Zerstörung der Geige sei doch nur eine Täuschung gewesen. Oder es sei möglich, sie zu retten.
»Er hat gesagt, er sei mein Vater.«
»Was? Sag das noch mal.«
»Die Geige hat meiner Mutter gehört … sie stammte aus ihrer Familie. Und er hat meine Mutter im Zuge seiner Forschungen kennengelernt, als er auf der Suche nach der Geige war. Er hat mir das nicht alles so genau sagen können, aber ich nehme an, er hat Quellen darüber gefunden, wo die Geige herkam. Er hat wohl verfolgt, wer sie wann besessen hat – und irgendwie ist er dann auf meine Mutter gekommen.«
»Ist dir klar, was das bedeutet?«
Mara seufzte. »Eine Menge. Dass ich endlich wieder ein Quäntchen mehr über meine Familie weiß. Und dass mir dieses Wissen nichts nützt. Kaum erfahre ich es, verliere ich wieder jemanden. Falls Wessely überhaupt die Wahrheit gesagt hat … Irgendwie habe ich das Gefühl, er wäre unmittelbar vor seinem Tod in eine Art geistige Umnachtung gefallen …«
»Es passt aber zusammen. Er war Priester. Er hat also die Beziehung zu deiner Mutter geheim halten müssen.«
Mara rechnete, wie alt Wessely damals gewesen sein mochte. Mitte zwanzig vielleicht. So alt wie sie heute …
»Und was hat er über die Zerstörung der Daten gesagt?«, wollte Jakob wissen.
Kalter Wind fegte über die Ringstraße. Blätter raschelten auf dem Asphalt.
»Lass uns das bei dir überprüfen«, sagte sie. »Komm.«
39
Nur der Monitor des Computers leuchtete in dem ansonsten dunklen Zimmer. Die bunten Farben des Desktops wirkten in der Schwärze, die sie umgab, aufdringlich und schreiend.
»Tatsächlich«, sagte Jakob. »Er hat es geschafft. Ich kann die Daten noch nicht mal über Restore zurückholen.«
»Gibt es keine Sicherheitskopie?«
»Natürlich. Doch die externe Festplatte hat er auch zerstört. Aber warum? Was hat er sich dabei nur gedacht?«
»Er glaubte, dass das Wissen um diese Dinge nicht gut für die Menschen ist. So hat er es mir erklärt. Niemand sollte wissen, wohin die Wege führen … Niemand soll wissen, wo sich der Ort der Orphiker befindet.«
»Und ich dachte, er hätte sich von der Kirche distanziert. Wenigstens ein bisschen. Aber es scheint, als habe er zuletzt geglaubt, die Sekte sei noch aktiv und gefährlich.« Er rollte mit dem Bürostuhl nach hinten und schüttelte den Kopf. »Wir werden es nie erfahren. Jetzt stehen wir wieder ganz am Beginn. Ich könnte natürlich versuchen, die Ergebnisse noch einmal aus den Archiven zu holen, aber das würde Jahre dauern.«
»Oder«, sagte Mara, »wir schauen am heiligsten Ort von Wien nach.«
»Was soll das heißen?«
»Das hat mir Wessely kurz vor seinem Tod auch noch gesagt. Er hat alles zusammen versteckt, weil er Gott, dem Schicksal oder sonst wem eine Chance geben wollte. Er wollte sich nicht darüber erheben.«
»Das heißt, sein Material existiert noch? Aber an einem bestimmten Ort?«
»Am heiligsten Ort von Wien«, wiederholte Mara. »Vielleicht dachte er, dass sich böse Satanisten dort nicht hintrauen.«
»Aber was für ein Ort ist das?«
»Das hat er nicht gesagt. Er ist kurz vorher gestorben. Wobei ich nicht sicher bin, ob er es mir überhaupt gesagt hätte. Wahrscheinlich ist das ein Rätsel, das man lösen muss, um sich der Sache als würdig zu erweisen.«
Jakob kratzte sich an der
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