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Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition)

Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition)

Titel: Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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sieben leicht erreichen. Das ganze Land bestand aus Frühaufstehern. Hier in Europa schien das anders zu sein. Quint hatte gelesen, dass manche Menschen erst um neun oder sogar um halb zehn mit der Arbeit begannen.
    Nein, dachte er. Wenn ich sie aus dem Schlaf reiße, dann erreiche ich sie wenigstens.
    Er wählte.
    »Spengler?« Eine Männerstimme. Ebenfalls verschlafen.
    Das war doch sicher der Ehemann? Sollte er Corinna Spengler verlangen?
    Er beschloss, seinen Plan durchzuziehen.
    Langsam und deutlich sagte er sein Sprüchlein auf – mit dem Unterschied, dass er sich nun als Erstes für die Störung entschuldigte.
    Der Mann sprach zum Glück auch Englisch und war sogar noch nicht einmal unfreundlich.
    »Jakob Lechner? Nein, den haben wir lange nicht gesehen. Aber sind Sie sicher, dass er nicht in seinem Laden ist? Er hat Öffnungszeiten, die er manchmal ganz willkürlich festlegt. Corinna kann ich nicht fragen, sie ist nicht zu Hause. Sie ist auf einer Tagung in Graz …«
    Quint beendete das Gespräch und atmete tief durch.
    Ron, dachte er. Es ist dieser Ron. Da war er sich nun sicher.
    Er wählte die Nummer.
    Das Freizeichen kam!
    Während es tutete, startete Quint seinen Rechner, der immer auf Standby geschaltet war. Es dauerte nur vier Sekunden, da öffnete sich das Fenster, in das er die Handynummer zur Ortung eingeben musste.
    Es klingelte lange. Dann meldete sich ein Mann. » Hello? « Ebenfalls müde, aber klar zu verstehen. Quint erkannte sofort den englischen Akzent.
    Und in diesem Moment traf Quint eine Entscheidung.
    Er schwieg. Und starrte auf den Bildschirm.
    Dort lief die Ortung, dargestellt durch einen runden Kreis, der sich zu drehen schien.
    Über den Telefonhörer war ein Klappern zu vernehmen. Dann wieder dieses lang gezogene » Hello? «
    Die Sache im Computer zog sich hin, und Quint beschloss, ein wenig Verlängerung herauszuschlagen, indem er ebenfalls » Hello « sagte.
    Im selben Moment hörte der Kreis auf dem Bildschirm auf, sich zu drehen. Er hatte die Adresse gefunden.
    Der Hochaltar des Stephansdoms bewegte sich wie von Geisterhand. Das in die Höhe strebende Bild mit der abgerundeten Oberkante klappte zur Seite, und der steinerne Untergrund verwandelte sich in eine riesige Falltür. Die Szene erinnerte an den Film Transformers , in dem Autos, Flugzeuge und andere Maschinen ein seltsames Eigenleben entwickelten und ihre Einzelteile neu anordneten, sodass sie plötzlich wie Roboter aussahen.
    So ähnlich formierte sich auch das Innenleben des Doms um. Die bunten Glasfenster hinter dem Altar verschwanden, die Wände fuhren nach oben, die Säulen legten sich quer, sodass sie ein paar Stufen bildeten, die nun in den gänzlich veränderten Altarraum führten. Der Bereich ähnelte jetzt einem kleinen Tempel, der nichts Kirchliches mehr an sich hatte. Sein Eingang sah nun aus wie ein riesiges Maul. Von der steinernen Querverstrebung ragten metallene Streben herunter, die an Zähne erinnerten. Mara fiel ein, das es die glänzenden Kerzenständer gewesen waren, die vor dem Altar gestanden hatten.
    Die Szenerie war von vollkommener Stille erfüllt, doch das bemerkte Mara erst, als aus dem schwarzen Maul des Eingangs ferne Musik ertönte. Eine weiche, einsame Melodie. Ein verlorenes Kreisen – wie ein Vogel über einer riesigen Landschaft, in einer Höhe, wo es keine anderen Lebewesen mehr gab. Es war eine Geige, die spielte – sehr, sehr hoch auf der höchsten Saite. Ganz am oberen Ende des Griffbretts, wie Mara sofort feststellte, da, wo die Töne so dicht beieinanderlagen, dass man die Finger nicht mehr nebeneinandersetzen konnte, um eine Tonleiter zu spielen. Die einzelnen Noten mussten in dieser Höhe ganz vorsichtig mit winzigsten Abständen auf Brett und Saite erkundet werden, um noch sauber zu bleiben. Und das gab dieser Melodie etwas Gläsern-Zerbrechliches, als ob sie an einem seidenen Faden hinge, der jeden Moment reißen konnte – wobei nicht nur die Musik, sondern auch der Spieler oder die Spielerin aus allerhöchster Höhe in eine schreckliche Tiefe stürzen würde.
    Das war Tamara. Es war eindeutig ihr Klang. Gab es sie noch irgendwo? Aber sie war doch in die Donau gestürzt. Sie war zerstört.
    Sie war tot .
    Ja, sie war tot, denn als Mara sie noch gehabt hatte, war ihr immer klar gewesen, dass es sich bei dem Instrument um ein lebendiges Wesen handelte.
    Und da begann das Ungeheuer, dessen Maul der Eingang zu dem seltsamen Tempel war, zu fauchen. In rhythmischen Abständen

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