Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition)
verrückt ansehen würde. Als sie nun ihre Frage gestellt hatte, betrachtete der Priester nachdenklich seine Hand.
» L’ Orfeo …«, sagte er leise. »So heißt Orpheus auf Italienisch …«
»Ich sagte Ihnen ja schon, dass ich Musikerin bin. Und es handelt sich bei dieser Geschichte auch um ein musikalisches Thema … Musikhistorisch sozusagen …«
»Wer hat Sie hergeschickt, Signora Thorn?« Jede Väterlichkeit, jede Güte war plötzlich aus dem Gesicht des Padre verschwunden.
»Geschickt? Niemand …«
»Wer weiß, dass Sie hier sind?«
»Auch niemand … Das heißt, ich weiß es nicht ganz genau, aber …«
»Und wie haben Sie von diesem Ort erfahren?« Seine Wangen besaßen plötzlich einen rötlichen Schimmer.
»Bitte … ich habe doch nichts falsch gemacht. Ich wollte es einfach nur wissen.«
Der Padre schwieg einige Sekunden, in denen Mara bewusst wurde, das eine Wanduhr in der Ecke regelmäßig tickte.
»Erklären Sie mir, wie Sie hergefunden haben. Und erklären Sie mir, warum Sie sich für die Orphiker interessieren.«
»Aber das ist ein ganz allgemeines historisches Thema … Und wenn Sie Informationen darüber haben, dann …«
»Wenn Sie schweigen, kann ich es Ihnen nicht sagen. Und in diesem Fall bitte ich Sie, mein Haus zu verlassen.«
Also gut. Das war ein Wort. Sollte der Padre doch wissen, was sie herführte. Aber nur, was sie betraf. Deborah, Quint, Wessely, Jakob … sie würde sie alle heraushalten.
Sie nahm noch einen Schluck Wasser, und dann begann sie zu berichten.
Der Wagen bremste, und Jakob wurde zurück in den Sitz gedrückt. Einen Moment lief noch der Motor, dann war es still. Vor ihm auf dem Fahrersitz gab es ein schabendes Geräusch, als sich Quint bewegte. Ein Schaukeln folgte, als er ausstieg. Jakob spürte kalte Luft, die hereindrang. Seine Augen waren verbunden, seine Hände gefesselt. Mühsam richtete er sich auf. Dann wurde eine der hinteren Türen geöffnet.
»Aussteigen«, rief Quint.
Jakob sackte in sich zusammen.
Jetzt ist es zu Ende, dachte er. Quint hat mich irgendwo hingebracht, um mich zu ermorden.
Er drehte seine Beine in Richtung der offenen Tür.
Der Tod würde nur ein kurzer Moment sein. Irgendwann würde er wieder aus dem Nichts auftauchen, in das er gefallen war. Es würde keine Wanderung aus dem Totenreich hinaus sein. Es würde leicht gehen. So leicht wie Atemholen. Er würde auf die Erde, ins Diesseits zurückfallen wie ein Regentropfen, der vom Himmel fällt. Es war ein Naturgesetz.
Er kletterte aus dem Wagen und stand nun frei in der kühlen Luft. Es war nichts zu hören außer dem Wind in seinen Ohren und sehr weit entferntem Verkehrsrauschen.
Wo waren sie hier? Wahrscheinlich im Wienerwald.
»Gehen«, befahl Quint.
Es knirschte unter Jakobs Fußsohlen. Kies. Oder ein Waldweg. Die Luft roch nach Herbstwald. Nasse Erde, Laub. Plötzlich schrie in der Nähe ein Vogel auf.
»Weiter.«
Es war unangenehm, so blind nach vorn zu marschieren. Vielleicht wollte Quint ihn gar nicht erschießen. Vielleicht sollte er irgendwo hinunterstürzen und sich den Hals brechen.
Schritte entfernten sich. Blieben stehen.
Jetzt zielt er auf mich, dachte er.
Hoffentlich erleide ich keine Schmerzen. Hoffentlich zielt er richtig. Wenn er mich schon töten will.
Ein unkontrollierbares Zittern überfiel ihn. Er bewegte die Arme. Sie schmerzten heftig, weil sie so lange in die unnatürliche Haltung gezwungen worden waren.
Da – ein Knall.
Der Motor heulte auf.
Jakob wurde klar, dass es nur das Klappen der Autotür gewesen war. Der Wagen fuhr davon.
Er unterdrückte das Herzklopfen und den Schmerz in seinen Armen und riss sich die Binde vom Kopf.
Ein Wanderparkplatz im Wald. Quint war verschwunden. Das Motorengeräusch verklungen.
Ein Frösteln überfiel Jakob. Er musste in Bewegung kommen. Wütend warf er die Binde und den Rest der Fesseln auf den Boden und ging zur Straße zurück. Sie war steil und führte durch den Wald. Nach links ging es ins Tal hinunter. Er beschloss, ihr dorthin zu folgen.
Immer wieder rasten Wagen an ihm vorbei. Er steckte die Hände in die Taschen, um sie zu wärmen, und fand sein Handy. Quint hatte es nicht behalten.
Er blieb stehen, schaltete es ein und wählte Maras Nummer. Hatte sie entkommen können? War er freigelassen worden, weil sie sie in ihrer Gewalt hatten?
The number you have called is temporarily not available.
Eine Abzweigung erschien, und langsam dämmerte ihm, wo er war. Es war nicht weit bis nach
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