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Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition)

Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition)

Titel: Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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Georg Wessely ging davon aus, dass sie eine Art Auszeichnung für den jeweils besten Musiker der Sekte war. Eine Auszeichnung, die von Hand zu Hand ging. Und damit wanderte sie auch durch die Geschichte. Nach Corellis Tod ging die Geschichte der Orphiker weiter. Francesco Geminiani, Francesco Veracini. Schließlich Giuseppe Tartini – ein Virtuose, aus dessen Feder ein berühmtes Stück stammt. Sie sind doch selbst Geigerin. Sie kennen es sicher. Es ist die sogenannte ›Teufelstrillersonate‹.«
    »Ja«, sagte Mara. Der Titel kam ihr bekannt vor. Aber sie hatte das Stück nie gehört, geschweige denn gespielt.
    »Die Sonate ist ein vertrackt schweres Geigenstück mit einer interessanten Entstehungsgeschichte. Tartini behauptete, der Teufel habe es ihm im Traum auf einer schwarzen Geige vorgespielt, und der Komponist schrieb es direkt nach dem Aufwachen nieder. Für mich ist diese Anekdote eine Anspielung auf die Rituale der Orphischen Akademie. Und deren Geschichte ist immer noch nicht zu Ende. Sie reicht mindestens bis ins 19. Jahrhundert – bis zu dem legendären Geiger Niccoló Paganini. Er war der Mann, für den man den Ausdruck ›Teufelsgeiger‹ erfand. Schon zu Lebzeiten ging das Gerücht, er habe bei Satan persönlich Geigenunterricht genommen.«
    Immer deutlicher erinnerte sich Mara an die Dinge, die sie von Jakob und Wessely erfahren hatte. Die Geschichte von Paganinis Leiche auf der unbewohnten Insel. Wo man sie verstecken musste, weil man ihm ein christliches Begräbnis verweigerte. Weil er ein Teufelsgeiger war. Weil er ein Orphiker war …
    »Irgendwann muss es mit den Orphikern zu Ende gegangen sein. Es hat auch mit der Geschichte dieser Gegend zu tun. 1861 wurde die Toskana Teil des vereinten italienischen Königreichs. Was aus der Familie des florentinischen Kaufmanns wurde, weiß ich nicht. Aber sie wird irgendwann ausgestorben sein.«
    Mara fiel etwas ein. »Aber die Karte. Die Klangfiguren. Wie alt mögen sie sein?«
    »Ich muss sagen, Ihr Bericht darüber hat mich erstaunt. Chladni hat die Existenz der Klangfiguren im Jahre 1787 veröffentlicht. Also zu einer Zeit, als Paganini gerade mal fünf Jahre alt war. Aber dass die Violine, die ja sicher früher entstand, solche Klangfiguren generiert, die dann auf der Karte diesen Ort angeben – das ist seltsam. Ich kann es mir nur so erklären, dass die Geige später umgebaut wurde, damit sie genau die richtigen Klangfiguren produziert.«
    Der Himmel war jetzt dunkelgrau. Die nahen Linien des dunklen Horizonts erschienen Mara wie hochgezogene Augenbrauen.
    »Stellen Sie sich vor, wie vor Hunderten von Jahren die Musiker hier durchgekommen sind. Wie sie in ihren Hoffnungen schwelgten. Man muss sich vorstellen, dass es die Orphische Sekte offiziell nicht gab. Die Kandidaten für die Mitgliedschaft wurden ausgespäht. Dann sprach man sie vielleicht an. Man stellte ihnen durch Mittelsmänner etwas in Aussicht, zum Beispiel einen großen musikalischen Auftrag – für ein Konzert, eine Komposition oder beides. Ich stelle mir Folgendes vor: Sie wurden irgendwo hingebracht, wo man sie befragte – natürlich so, dass sie nicht sehen konnten, mit wem sie überhaupt sprachen. Man wollte von ihnen wissen, ob sie daran Interesse hätten, zum internen Kreis einer einflussreichen Gruppe von Musikern zu gehören. Und erst wenn sie sich bereit erklärten, brachte man sie hierher – aber wieder, ohne dass sie wussten, wohin es ging. Man hatte ihnen vielleicht die Augen verbunden … Eigentlich ein perfides Spiel.«
    Büsche und Unterholz rückten als dunkle Klumpen näher. Irgendwo plätscherte etwas. Wahrscheinlich ein Bach.
    »Wieso perfide?«, fragte Mara.
    »Sie vergessen, dass ich ein Mann der Kirche bin. Und als solcher wünsche ich, dass Musik nur zu Ehren des Höchsten gemacht wird.«
    »Aber ist Musik denn nicht etwas, das in erster Linie der Freude dient?«
    »Wenn Sie unter Freude das verstehen, was die heutige Welt Spaß nennt … und womit sie Drogen, Sex und andere unmoralische Ausschweifungen meint …«
    »Drogen … Ja, das gibt es. Aber …«
    »Das gibt es vor allem im Umfeld der Musik, die Sie meinen, wenn Sie von Freude sprechen. Musik … das ist doch eigentlich ein Gebet … In ihr kommt die Größe der Schöpfung zum Ausdruck. Die Größe, vor der wir in Ehrfurcht erstarren sollten. Die geheimen Mechanismen des Kosmos, die Schönheit seiner mathematischen Proportionen, die Perfektion der musikalischen Harmonien. Die größte Musik wurde

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