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Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition)

Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition)

Titel: Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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nicht wissen. Der Einzige, der es herausgefunden hat, war ein Idiot. Tino. Er hat gar nicht verstanden, was er da gefunden hat …«
    Der Padre schien einfach draufloszureden. Mara konnte ihm nicht folgen. Wer war Tino?
    Aber der Priester hatte die Alten Seelen erwähnt.
    Ihr war klar, dass sie mit dem Padre möglichst vernünftig reden musste, damit er nicht überschnappte und sie womöglich hier alleine ließ. Sie musste klare Fragen stellen. Fragen, die einfach zu beantworten waren.
    »Wie kann das Erdbeben diesen Platz hier erschaffen?«, fragte sie.
    »Es ist nicht der Platz«, sagte der Padre und hob die Lampe an der Felswand empor. »Es ist der Riss dort oben. Die Höhle.«
    »Sie meinen, diese Höhle war zu Zeiten der Orphiker als Eingang zugänglich?«
    »So ist es. Dahinter verbirgt sich ein Gangsystem, das angeblich zu einem alten Herrenhaus gehört. Eine Villa ganz hier in der Nähe. Es sind nur noch Ruinen vorhanden. Der alte Park ist verwildert …«
    »Gehörte die Villa dem Kaufmann, von dem Sie sprachen?«
    »Das Land gehörte ihm. Seine Söhne oder Enkel haben die Villa gebaut. Sie trug aber den Namen des Kaufmanns. Sie hieß Villa Gritti.«
    Ein Moment des Schweigens entstand. Gritti … Das Wort schien in der aufkommenden Dunkelheit nachzuhallen.
    »Haben Sie wirklich Gritti gesagt? Ich kenne … kannte jemanden, der so heißt.«
    »Der Name ist in Italien verbreitet.«
    Nicht nur in Italien, dachte Mara. Auch unter Amerikanern. Deren Familiengeschichte italienische Wurzeln hat. Und die nach diesen Wurzeln suchen.
    Sie sah an der Wand hinauf. »Haben sich die Musiker nicht eher in der Villa versammelt, um Musik zu machen? Das war doch sicher bequemer.«
    »Orpheus ist in die Unterwelt hinabgestiegen, um seine Geliebte zu befreien. Er hat sie nicht wiederbekommen. Und der Schmerz über diesen Verlust hat ihm erst die Vollkommenheit seiner Kunst geschenkt. Ein Künstler kann technisch perfekt sein, aber wenn er nicht gelitten hat, dann hat er nichts mitzuteilen. Es gibt keinen Inhalt, den er mit seinen perfekten Mitteln darstellen kann. Verstehen Sie das? Und so mussten die Neulinge unter den Orphikern eine symbolische Reise durch dieses Höhlensystem absolvieren, um die Vollkommenheit zu erlangen, die sie zu wirklich großen Meistern machte. Nur so ist zu erklären, warum Händel als Talent nach Italien aufbrach und als Genie nach Deutschland zurückkam, um dann nach England zu gehen und dort der italienischen Oper zu einem Siegeszug zu verhelfen. Und danach mit dem Oratorium. Und denken Sie an Paganini. Die Jahre, in denen er verschwunden war. Er war vorher schon begabt, ein Wunderkind, aber als er zurückkam, war er ein Meister, dem ganz Europa zu Füßen lag.«
    Mara war ein paar Schritte auf die Wand zugegangen. Jetzt stand sie davor und legte die Hände auf den Felsen. Sie spürte plötzlich den brennenden Wunsch, einer von ihnen gewesen zu sein. Sie war doch auch begabt. Auch sie hatte die Menschen begeistert mit ihrer Musik. Aber die allerletzten Weihen, die sollte sie hier bekommen. Das war Johns Wunsch gewesen. Hier sollte sich alles verbinden. Die Frau, die die Violine der Orphiker spielte, sollte an den Ort zurückkehren, an dem sein Vorfahr einst den Kult um Orpheus ins Leben gerufen hatte.
    Sie sah nach oben. Das dunkle Auge der Höhle schien sie anzuschauen. Es lag in dem Berg wie ein Auge im Gesicht eines alten, weisen Mannes.
    Die Bruchkante, die das Erdbeben hinterlassen hatte, ging so weit hinunter, dass eine schmale Stufe entstanden war.
    Sie begann zu klettern. Dabei spürte sie den Blick des Padre auf ihr ruhen. Der Priester schwieg. Ihm war sicher klar, was sie antrieb, was sie bewegte.
    Nur einen Blick in die Höhle werfen, dachte sie.
    Hier begann die Reise, die jeder neue Orpheus unternehmen musste.
    Sie zog sich endgültig zum Eingang hoch. Aus der schwarzen Öffnung wehte es ihr kühl entgegen.
    Sie drehte sich um, um den Priester zu bitten, ihr die Taschenlampe hochzubringen, da sah sie, dass der Padre ihr gefolgt war. Er hatte die Lampe ausgeschaltet.
    »Leuchten Sie hinein«, sagte sie. Von unten hatte es so ausgesehen, als könne man in die Öffnung hineinspazieren, aber so einfach war es wohl nicht. Als sich Mara bewegte, lösten sich Steinchen und rutschten in den Berg hinein. Weit entfernt trafen sie irgendwo auf. Das Geräusch verhallte.
    Padre Antonio reagierte nicht. Die Lampe blieb aus.
    »Haben Sie nicht gehört …?«
    Mara spürte einen Stoß. Sie rutschte

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