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Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Pötzl
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    SPIEGEL: … als Kreuzzugsprediger wahrlich kein Zimperling …
    BRANDMÜLLER: … hat in einer Predigt über das Hohelied auf eine Anfrage aus Köln erwidert: Fangt die »Füchse«, die Ketzer, aber bringt sie nicht um.
    SPIEGEL: Das klingt gut; leider sah die Realität bedrückend aus. Vor der Bestrafung stand oft noch die Folter mit ihrer perversen Logik: Geständig oder verstockt, der peinlich Befragte ist allemal des Teufels.
    BRANDMÜLLER: Wer widerrief, war normalerweise frei.
    SPIEGEL: Aber er widerrief unter Gewaltandrohung.
    BRANDMÜLLER: Ja, das erscheint uns heute natürlich unerträglich und absurd. Der Historiker Johannes Fried hat aber einmal eindrucksvoll dargelegt, dass damals gerade scholastisch Gebildete argumentieren konnten, die physische Gewalt der Folter löse den Willen möglicherweise aus seiner falschen Konditionierung. Ganz abgesehen von solchen Fehleinschätzungen: Von Seiten der Inquisition hat es im Ganzen sehr wenig Todesurteile gegeben.
    SPIEGEL: Haben Päpste nicht bisweilen gerade durch ihr Vorgehen gegen Abweichler das Profil der Kirche zu schärfen versucht?
    BRANDMÜLLER: Häresien müssen ja wohl erst einmal erkannt sein, bevor man dagegen einschreitet. Man empfand sie als Bedrohungen, gewiss. Der von Epoche zu Epoche unterschiedliche Umgang mit ihnen lässt dann eher Schlüsse darauf zu, wie individualistisch die jeweilige Gesellschaft war.
    SPIEGEL: Wir müssen doch noch einmal an die Opfer erinnern. Ein anderes, viel späteres Beispiel: Kardinal Richelieus erbarmungslose Hugenottenverfolgungen werden Sie wohl kaum als gute christlich-katholische Tat verteidigen?
    BRANDMÜLLER: Richelieu ist sehr widersprüchlich, ein hochinteressantes Phänomen. Persönlich war er fromm, gewissenhaft und wohltätig, ein guter Priester geradezu; aber letztlich ging es ihm um die Größe der »grande nation« Frankreich. Jansenisten und Hugenotten sägten an der königlichen Gewalt, das genügte.
    SPIEGEL: Fairerweise muss man sagen: Der Kampf gegen Ketzer stand für die Päpste ideologisch und praktisch kaum je im Mittelpunkt ihres Tuns. Intellektuell brauchte Rom auch seine Zeit: Erst Mitte des 15. Jahrhunderts kamen erklärte Humanisten auf den Stuhl Petri, Nikolaus V . und Pius II .
    BRANDMÜLLER: Nun ja, die päpstliche Kurie war eine Pflanzschule der Humanisten. Einer der wichtigsten Vermittler griechischer Handschriften nach Italien, Basilios Bessarion aus Trapezunt, war von 1439 an römischer Kardinal.
    SPIEGEL: Spätestens seit dem Historiker Jacob Burckhardt im 19. Jahrhundert verknüpft man die Renaissance mit der Wende zum Individualismus der Neuzeit – verfolgte Rom diese Emanzipation des Ich nicht eher misstrauisch?
    BRANDMÜLLER: Individualismus per se ist nichts Böses. Außerdem hat es eine sehr fromme Renaissance gegeben. Zum Beispiel die Herrscherfamilien der Gonzaga in Mantua oder der Malatesta in Rimini …
    SPIEGEL: … von denen Chroniken freilich auch manche Brutalität berichten.
    BRANDMÜLLER: Auch in Florenz, wo man am intensivsten die Antike wiederentdeckte, ging es deshalb keineswegs heidnisch zu. Es gibt sicher mancherlei Schattierungen. Aber einen Widerspruch zwischen Humanismus und Kirche sollte man nicht konstruieren.
    SPIEGEL: Humanismus und Reformation hängen eng miteinander zusammen. Was die Reformation in der römischen Kirche auslöst, heißt gewöhnlich Gegenreformation …
    BRANDMÜLLER: … fälschlicherweise.
    SPIEGEL: Weshalb?
    BRANDMÜLLER: Man sollte von katholischer Reform sprechen. Deren Wurzeln liegen weit zurück im späten 15. Jahrhundert. Die humanistischen Errungenschaften, etwa die Philologie – auch der Bibel – oder das neubelebte Studium der Kirchenväter, später richtig angekurbelt durch den Buchdruck, waren in Spanien und Italien ja längst da.
    SPIEGEL: Das klingt, als sei Luther ein dummer deutscher Betriebsunfall gewesen. Dabei hat der Protestantismus, der sich vom Papst lossagte, Europa konfessionell bis heute gespalten. Dazu musste Rom doch Stellung beziehen?
    BRANDMÜLLER: Die Geschichte der Kirche ist eine Geschichte der Reformen. Mit dem Konzil von Trient hat sich der Katholizismus seit 1545 erneuert. Es war ein großer Aufbruch, katholische Lehre und Disziplin wurden neu abgegrenzt – und damit die theologischen Turbulenzen, die unter dem Einfluss von Luthers Schriften in Italien entstanden waren, beendet. So griff das Konzil Luthers falschen Ansatz zur Erbsünde auf und überwand ihn.
    SPIEGEL: Damals war christliche

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