Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
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»Inkarnation des Teufels«
Alexander VI. missbrauchte sein Papstamt zur hemmungslosen Bereicherung seines Clans – und machte die Borgia zu einer der mächtigsten Familien Europas.
Von Annette Großbongardt
Es ist der Abend des 9. August 1492, die Augen Roms sind auf den Vatikan gerichtet. Die Christenheit lebt ohne Papst, seit Innozenz VIII . vor 16 Tagen gestorben ist. Nun tagt das Konklave, die Wahlversammlung der Kardinäle, viele aus berühmten Familien, den Orsini, den della Rovere, den Borgia, den Medici. Die ersten beiden Wahlgänge haben keinen Sieger erbracht.
Langsam verlöschen die Lichter in den Häusern der Stadt, die letzten Bettler humpeln vom Petersplatz, als eine vermummte Gestalt aus dem Schutz einer Säule tritt, ein Schwert zieht und dreimal damit auf Stein stößt. Da öffnet sich ein Fenster in einem Seitenflügel des Vatikans, und ein Päckchen landet vor den Füßen des mysteriösen Boten. Der eilt damit durch die Gassen des nächtlichen Roms, klopft an die Tür eines prächtigen Hauses und zieht endlich seine Kapuze zurück: Es ist ein Sohn des ehrgeizigen Kardinals Rodrigo Borgia, der Papst werden will.
Der Geheimplan, den der junge Mann dann seiner Mutter Vanozza und der Schwester Lucrezia als Botschaft des Briefes enthüllt, soll ihm dazu verhelfen: Versteckt in Brathühnchen, die am nächsten Tag ins Konklave geliefert werden, lässt Rodrigo Borgia Schenkungsurkunden von Palästen und Pfründen an seine Kardinalskollegen schicken, deren Stimmen er noch braucht. Es funktioniert: Zwei Tage nach der geheimen Wurfpost steigt weißer Rauch aus der Sixtinischen Kapelle auf. Habemus papam, Rodrigo Borgia ist Papst. Er nennt sich Alexander VI .
Mit der krimireifen Bestechungsszene beginnt der französische Schriftsteller Alexandre Dumas der Ältere 1839 seinen historischen Kurzroman »Die Borgia«, Teil einer Serie »Berühmte Verbrechen«. Was ist wahr, was Fiktion am spannenden Gaunerstück? Korruption per Brathendl? Tatsache ist, die Wahl Rodrigo Borgias zum Nachfolger Petri ging als einer der spektakulärsten Fälle von Ämterkauf in die Geschichte ein.
Ohne Zweifel gehört Alexander VI . zu den schillerndsten Papstgestalten. Die Schlagzeilen seiner Biografie lesen sich eher wie die eines Mafiapaten als die eines Heiligen Vaters: Korruption, Erpressung, Giftmorde, Skandale, Orgien im Vatikan, Inzest. »Der unheimliche Papst« nennt ihn denn auch der Schweizer Historiker Volker Reinhardt. Der französische Schriftsteller Stendhal sah ihn als die »gelungenste Inkarnation des Teufels auf Erden«. Ein Monster, der Antichrist leibhaftig, so urteilten schon die Zeitgenossen über Alexander. Verschlagen sei dieser Pontifex maximus, ein Meister der »dissimulazione«, der Täuschung, befand der venezianische Gesandte in Rom, Girolamo Donato.
Tatsächlich rief der Name Borgia neben Bewunderung auch Angst und Schrecken hervor, und das sollte er auch. Die Feinde sollten sich fürchten – und fügen. Wer es nicht tat, musste damit rechnen, erdrosselt oder erdolcht aus dem Tiber gezogen zu werden. Andere sollen am Gift der Borgia gestorben sein. Die Söldner und Mordbuben Cesares, der die Truppen des Vaters befehligte, kannten keine Gnade. »Jede Nacht findet man in Rom vier, fünf Ermordete – Bischöfe, Prälaten und andere Leute; die ganze Stadt zittert vor dem Herzog«, berichtete ein Botschafter nach Hause.
Jede Nacht? Bei den Borgia weiß keiner so genau, wo »die Fakten enden und die Legenden einsetzen«, warnt Reinhardt. Zeitgenössische Chronisten hätten vieles »dazuerfunden«.
Papst Alexander VI .
(Gemälde aus dem 16. Jahrhundert)
RUE DES ARCHIVES /SÜDDEUTSCHE ZEITUNG PHOTO
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