Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Gläubigen Ehrfurcht und anderen Fürsten Europas Neid einflößte und das Selbstbewusstsein der katholischen Welt mächtig anfachte.
Wenn die Pilger bei den alle 25 Jahre stattfindenden »Heiligen Jahren« die sieben Hauptkirchen Roms besuchten, erlebten sie ein Zentrum, das kaum noch etwas gemeinsam hatte mit dem Rom vor der Reformation: Prachtstraßen wie die Via Felice durchschnitten die alten Wohnviertel der 100000-Einwohner-Stadt, opulente Paläste säumten die Wallfahrtsstrecke, und neue Kirchen wie Il Gesù, die Hauptkirche der Jesuiten, zeugten mit ihrer eleganten Strenge von den anderen Sitten, die Einzug gehalten hatten.
Für etliche Monarchen wurde der vatikanische Hof ein Vorbild, nicht nur, weil die Heiligen Väter die Ersten waren, die das Speisen mit Messer und Gabel und Servietten für jeden an ihren Banketttafeln einführten. Sogar der französische Sonnenkönig Ludwig XIV . schielte eifersüchtig über die Grenzen und engagierte den päpstlichen Architekten Gian Lorenzo Bernini, um den Louvre zu renovieren.
Hätte das Weltgericht, wie es Michelangelo in der Sixtina gemalt hatte, um 1700 geurteilt, es hätte gar nicht schlecht ausgesehen für die Päpste: Zwar war ihre politische Stellung schwach wie nie, doch ihre geistliche Macht wog das auf. Innerhalb der Kirche war alles auf den Pontifex zugeschnitten, sein Einfluss reichte bis an die Ränder Asiens und Amerikas, das katholische Universum schien nach den Wirren von Reformation und Glaubenskriegen unter der Herrschaft Roms konsolidiert.
Doch die Welt blieb nicht stehen. Zögernd erst, dann immer ungestümer, drängten neue Gedankenströmungen hervor, welche die Position des Papstes von Grund auf bedrohten. Seit der Renaissance hatten Naturwissenschaftler und Philosophen begonnen, eigenen Naturbeobachtungen mehr zu glauben als den Weltdeutungen der Kirche. »Denn es ist sicher, dass Gott in der Natur nur durch dessen Gesetze tätig ist«, konstatierte der englische Denker Francis Bacon 1605 und stellte damit einen Gott in Frage, der aktiv in den Lauf der Dinge eingreift.
Diplomaten des Herrn
NUNTIATUREN
Wenn sich jemand mit Diplomatie auskennt, dann müsste es der Papst sein: Die Päpste gebieten über einen der ältesten – wenn nicht sogar den ältesten – diplomatischen Dienst der Welt. Bereits im 5. Jahrhundert schickte Leo I. einen ständigen Gesandten an den Hof des Kaisers von Konstantinopel, auch am karolingischen Hof gab es solche »Apokrisiare« (»Überbringer einer Antwort«). Im Mittelalter entsandten die Päpste Legaten, die an den Höfen Europas ihre kirchlichen und außenpolitischen Interessen vertraten. Um 1500 wurden die ersten ständigen päpstlichen »Nuntiaturen« in Venedig und in Spanien errichtet, bald schickte der Pontifex solche Botschafter auch in andere wichtige europäische Staaten, wo sie das Ansehen der Kirche erhöhen und gute Kontakte zu den katholischen Mächten wahren sollten. Heute unterhält der Papst diplomatische Beziehungen mit 178 Ländern. Eine völkerrechtliche Besonderheit ist, dass die römischen Diplomaten nicht im Auftrag des Vatikanstaats unterwegs sind, sondern für den »Heiligen Stuhl«, das Kirchenoberhaupt persönlich.
Gleich das ganze bis dahin gültige Weltbild brachte der italienische Astronom und toskanische Hofmathematiker Galileo Galilei ins Wanken: Mit einem Fernrohr beobachtete er 1610 die Himmelsgestirne und kam zu dem Schluss, dass der preußische Astronom Nikolaus Kopernikus in seinem 60 Jahre zuvor erschienenen Werk »Über die Kreisbewegungen der Weltkörper« richtig lag: Die Erde kreiste um die Sonne, nicht umgekehrt, wie es Ptolemäus in der Antike postuliert hatte und wie die Kirche predigte, weil es sich so auch aus der Bibel ableiten ließ.
Die Geduld des Vatikans war am Ende, als Galilei 1632 einen satirischen Dialog über die wichtigsten Weltsysteme veröffentlichte. Darin ließ er nicht nur die Verteidiger des heliozentrischen Weltbildes überzeugender davonkommen. Er zeichnete zudem die Verteidiger des ptolemäischen Modells – unter ihnen der Papst – als Idioten.
Der politisch angeschlagene Urban VIII ., bislang ein Freund und Förderer Galileis, musste darin einen Frontalangriff erkennen. Er verwies den Fall an die römische Inquisition, die ihr Urteil fällte: Galileis Behauptungen waren gotteslästerlich. Am 22. Juni 1633 kniete der Gelehrte mit einer Hand auf der Heiligen Schrift und einer brennenden Kerze in der anderen vor der Inquisitionskommission
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