Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
und Papst Urban und schwor dem kopernikanischen Weltbild ab. Er wurde zu lebenslanger Haft verurteilt, die allerdings zu einem recht komfortablen Hausarrest abgemildert wurde.
Die Päpste waren nicht per se wissenschaftsfeindlich. Nicht nur Urban VIII . förderte die Naturforschung; im 18. Jahrhundert ließ Benedikt XIV . in Bologna das erste anatomische Museum Italiens einrichten, mit lebensgroßen Wachsfiguren, die nach toten menschlichen Körpern gestaltet worden waren. Sogar weibliche Gelehrte protegierte er.
Doch die Grenze der päpstlichen Toleranz war erreicht, wo die Deutungshoheit der Kirche und der päpstliche Primat in Frage standen. Im 18. Jahrhundert kam das immer häufiger vor. Aufklärer wie der französische Gelehrte Pierre Bayle oder der schottische Historiker und Naturphilosoph David Hume priesen die Vernunft des Menschen und rangen damit, wie diese sich mit der christlichen Offenbarung vereinbaren ließ. Ihre Devise lautete, keine Tradition ungeprüft hinzunehmen. Damit wurde die römische Kirche mit ihren jahrhundertealten Bräuchen und vorgeblichen Wahrheiten zu einem leichten Angriffsziel.
Vor allem in Frankreich steigerte sich der Furor der Aufklärer in wütende Polemik gegen Papsttum und Kirche, etwa durch Voltaires Schlachtruf »Écrasez l’infâme!« – zermalmt die Niederträchtige. Andere entsagten dem Glauben gleich ganz, wie die Atheisten und Materialisten Julien de La Mettrie oder Paul Thiry d’Holbach, der die Religion zur größten Feindin der natürlichen Moral erklärte.
Glaube und Frömmigkeit wurden mehr und mehr zur Privatsache. Der Mensch galt nun als Gestalter seiner Welt; Bildung und Medien wie Zeitungen und Flugblätter boten immer mehr Menschen die Möglichkeit, sich selbst ein Bild von der Wirklichkeit zu machen, anstatt sich von Autoritäten bevormunden zu lassen. Im nach wie vor mehrheitlich katholischen Frankreich beispielsweise stieg die Rate unehelicher Geburten ab 1750 sprunghaft an. Falls man das in Rom mitbekam, muss man es so gedeutet haben wie der Schweizer Historiker Kaspar von Greyerz: als zunehmende Emanzipation der Menschen von der kirchlichen Sexualmoral.
All das mündete 1789 nicht nur in eine politische Revolution, in der die Franzosen Freiheit und Gleichheit und Mitbestimmung der Bürger forderten und den ganzen Kontinent in Unruhe stürzten. Die Revolutionäre warfen auch die alte Religion über Bord: Rituelle Entchristlichungskampagnen sollten die Abkehr von Papst und Kirchenhierarchie deutlich machen; die Jakobiner stifteten stattdessen einen Kult der Vernunft, Robespierre einen Kult des Höchsten Wesens.
Der Vatikan reagierte mit rüder Abwehr: Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte verurteilte Papst Pius VI . als Gipfel der Perversion: »Kann man etwas Unsinnigeres ausdenken, als eine derartige Gleichheit und Freiheit für alle zu dekretieren?«, fragte er rhetorisch.
Es war nicht die Volkssouveränität, die ihn am meisten anwiderte, nicht einmal der Antiklerikalismus der Revolutionäre. Es war die Idee des »Contrat social«, einer Gesellschaft als freie Übereinkunft von Menschen, schreibt der Historiker Peter van Kessel: »Nach der traditionellen katholischen Auffassung war die gesellschaftliche Ordnung von Gott gegeben, im Naturgesetz verankert und von der Kirche garantiert. Die Lehre des Contrat social bedeutete daher einen Angriff auf Kirche und Religion, auf die Grundpfeiler der Gesellschaft.«
Doch die Woge des Wandels war stärker als das römische Beharrungsvermögen: Als Napoleon 1798 in Rom die Republik ausrief und das Kirchenoberhaupt nach Frankreich entführte, schien es, als sei in der modernen Welt kein Platz mehr für eine aus der Antike überkommene Institution wie den Papst.
Nichts ließ ahnen, dass jemals wieder ein Pontifex gewählt werden würde. Wer nun vor dem Altar der Sixtinischen Kapelle stand und auf Michelangelos Fresko blickte, dem blieb darin nur eine Botschaft: die Hoffnung auf Auferstehung.
Gottes Bauherr
An Papst Gregor XIII. erinnert man sich vor allem wegen dessen Kalenderreform. Vergessen ist, dass er den Heiligen Stuhl mit teuren Projekten fast in den Ruin getrieben hätte.
Von Frank Thadeusz
Rom ist ein trauriger Ort, als Gregor XIII . am 13. Mai 1572 zum Papst gewählt wird. Das Forum Romanum, einst das Zentrum des mächtigen Imperiums, ist zur Kuhweide verkommen. Die Reste der kaiserlichen Herrschaftsarchitektur – umgekippte Säulen und Steinquader – sind größtenteils unter Müll
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