Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
in der Geschichte des Papsttums.
Denn der päpstliche Bann am 3. Januar 1521 sorgte dafür, dass Luther sich nun vehement von Rom abgrenzte: »Der Teufel hat uns mit großen, bösen Narren und großen, groben Eseln zu Rom (geschlagen), die nicht anders denken, als: was wir Esel furzen, das müssen die Bestien wohl für Artikel (Gesetz) halten, (weil) sie glauben, dass wir S. Peters Erben sind und nicht irren können«, tobte er in seiner Flugschrift »Wider das Papsttum zu Rom vom Teuffel gestifft«.
Immer mehr Städte und Fürsten im Reich bekannten sich zu Luthers Lehre, aus der sich nach und nach die neue Konfession der »Protestanten« entwickelte. Neben religiösen Motiven lockte die Landesherren auch die Aussicht auf Unabhängigkeit: Sie hofften, den Einfluss zurückzudrängen, den die Kirche durch Gerichts- und Steuerrechte und die Besetzung von Pfarrämtern auch in den weltlichen Territorien ausübte.
Luthers Botschaft, der Papst sei der Antichrist, die Kurie die Synagoge des Satans und Rom der Sündenpfuhl Babylon, verbreitete sich durch Flugblätter und Flugschriften rasend im ganzen Reich und nährte die Wut auf die Kirche. In Nürnberg wollten Bürger 1524 sogar mit alten Schuhen nach dem päpstlichen Gesandten werfen, um ihm ihre Verachtung zu zeigen.
Der »Papstesel« in einer satirischen Flugschrift Luthers (1523)
Selbst zwischen Papst und Kaiser trieb der Konflikt um Luther einen Keil. Eigentlich hätte der Kaiser den päpstlichen Bann ohne weitere Prüfung auch im Reich umsetzen und Luther ächten müssen. Doch er entschied sich mit Rücksicht auf die mit Luther sympathisierenden Reichsstände, einen Reichstag nach Worms einzuberufen, um die Sache selbst noch einmal zu untersuchen, bevor er die Reichsacht verhängte. Das kanonische Recht galt damit im Reich fortan nicht mehr automatisch.
Die Stimmung zwischen Rom und dem Kaiser war gespannt: Der Habsburger Karl V. konkurrierte mit Frankreich um die Vorherrschaft auf dem Kontinent; beide stritten um Ansprüche in Italien, wo der zwischen den Parteien lavierende Papst seine Interessen bedroht sah. Auf dem Höhepunkt des Konflikts fielen kaiserliche Truppen 1527 in Rom ein, plünderten, zerstörten Kunstwerke und setzten den in die Engelsburg geflohenen Papst fest. Die Zeitgenossen sahen den »Sacco di Roma« als apokalyptisches Ereignis, als Strafe an der Hure Babylon.
Das mittelalterliche Ideal der Einheit zwischen Papst und Kaiser erschien endgültig zerbröselt. 1530 krönte Papst Clemens VII . in Bologna zum letzten Mal einen Kaiser, Karl V. Auch die anderen Herrscher Europas suchten sich dem Zugriff des Papstes zu entwinden. Frankreich setzte 1516 durch, dass nicht mehr Rom, sondern der König die Bischöfe im Land ernannte. Die skandinavischen Königreiche wurden protestantisch, die Republik der calvinistischen Niederlande spaltete sich in einem blutigen Bürgerkrieg vom habsburgischen Königtum in Spanien und damit auch vom Papst ab.
Eine heftige Ohrfeige fing sich Clemens auch im Streit mit dem englischen König Heinrich VIII . ein. Weil der Papst ihm die Annulierung der Ehe mit seiner spanischen Frau Katharina untersagte, ließ der König 1534 die angelsächsischen Geistlichen per Eid dem Papst entsagen und machte sich selbst zum Oberhaupt der Kirche auf der Insel. Papst Pius V. versuchte, England zurückzugewinnen, indem er 1570 Heinrichs Tochter Elisabeth exkommunizierte – doch auch der letzte Bann, den ein Papst über einen weltlichen Herrscher verhängte, machte die Abspaltung nicht rückgängig.
Bislang hatten sich die Päpste als eine Macht verstanden, die über den europäischen Regierungen stand, beanspruchten gar, dass alle weltliche Herrschaft von ihnen ausgehen solle. An diesem Vormachtsanspruch hielten sie fest. So reformierte Gregor XIII . ohne Rücksprache mit den europäischen Mächten den Kalender, strich zehn Tage aus dem Jahr 1582 und erwartete wie selbstverständlich, dass alle mitzogen.
Doch längst verfolgten die Staaten Europas ihre eigenen Interessen. Rom hatte politisch außerhalb des Kirchenstaats kaum noch etwas zu sagen. Das lag nicht nur an den immer selbstbewussteren Nationalstaaten, sondern auch am fehlenden Anpassungswillen der Päpste selbst.
Die Forderung nach einem allgemeinen Konzil etwa, die sofort aufkam, nachdem der Konflikt mit Luther hochgekocht war, lehnte Rom so lange vehement ab, dass es schließlich zu spät war für eine Verständigung. Ein spanischer Kardinal schrieb 1531 an den
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