Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
keineswegs konkurrenzlos arbeitet – für Grenzkontrollen zum Beispiel sind die 180 Italiener der päpstlichen Gendarmerie zuständig. Und etliche planen schon für die Zeit danach.
In dem Alpenstaat gilt jemand, der in Rom gedient hat, als Schutzfachmann; mehr als ein Drittel heuert später bei Security-Firmen an. Es gibt aber auch den umgekehrten Weg: Daniel Anrig, Kommandant seit Ende 2008, war vorher Polizeichef des Kantons Glarus. Kommandanten bleiben oft fürs Leben in Rom; der studierte Jurist Anrig ist erst der 34. auf seinem Posten.
Womit die Helvetier sich wehren oder gar zuschlagen können, ist eine heikle Frage. Papst Benedikt etwa duldete rund um sich und sein Papamobil keine Schusswaffen; im Ernstfall wären so neben Pfefferspray lediglich Judogriffe oder Karate geblieben. Doch solche Szenarien üben die Söldner nur im Stillen. Viel lieber freuen sie sich auf den Dezember, wenn es die jährliche Verlosung gibt: Geschenke, die er selbst nicht braucht, stiftet der Papst seinen treuen Schweizern – es kann schon mal ein Rennrad oder eine Stereoanlage dabei sein.
An Gottes Stelle
Mit dem Dogma der päpstlichen Unfehlbarkeit grenzte sich der Katholizismus 1870 scharf gegen Kritiker ab.
Von Friedrich Wilhelm Graf
»Zur Ehre Gottes, unseres Heilandes, zur Erhöhung der katholischen Religion, zum Heil der christlichen Völker lehren und erklären wir endgültig als von Gott offenbarten Glaubenssatz, in treuem Anschluss an die vom Anfang des christlichen Glaubens her erhaltene Überlieferung, unter Zustimmung des heiligen Konzils: Wenn der Römische Papst in höchster Lehrgewalt (ex cathedra) spricht, das heißt, wenn er seines Amtes als Hirt und Lehrer aller Christen waltend in höchster apostolischer Amtsgewalt endgültig entscheidet, eine Lehre über Glauben oder Sitten sei von der ganzen Kirche festzuhalten, so genießt er kraft des göttlichen Beistandes, der ihm im heiligen Petrus verheißen ist, jene Unfehlbarkeit, mit der der göttliche Erlöser seine Kirche bei endgültigen Entscheidungen in Glaubens- und Sittenlehren ausgerüstet haben wollte. Diese endgültigen Entscheidungen des Römischen Papstes sind daher aus sich, nicht aber aus der Zustimmung der Kirche, unabänderlich. Wenn sich jemand – was Gott verhüte – herausnehmen sollte, dieser unserer endgültigen Entscheidung zu widersprechen, so sei er ausgeschlossen.«
Keine anderen Sätze haben in der Geschichte des modernen Christentums vergleichbar harte Kontroversen und bis heute andauernde Kritik hervorgerufen. Sie stammen aus der Konstitution »Pastor aeternus«, die die in Rom zum Ersten Vatikanischen Konzil versammelten Bischöfe am 16. Juli 1870 gegen den demonstrativen Protest einer Minderheit von rund 20 Prozent der Stimmberechtigten angenommen hatten – diese Minderheit von 60 Bischöfen, die schon bei einer Vorabstimmung am 13. Juli unterlegen war, reiste nun aus Rom ab.
Die Mehrheit der Konzilsväter ließ sich dadurch nicht beeindrucken. In der feierlichen Sitzung vom 18. Juli verabschiedete das Konzil mit nur zwei Gegenstimmen von insgesamt 535 Stimmen die Infallibilität, Unfehlbarkeit des Papstes in Fragen der Glaubens- und Sittenlehre.
Zwar fanden die Kritiker dieser neuen Lehre, die Anti-Infallibilisten, vor allem in Deutschland, der Schweiz und Frankreich in der katholischen Bevölkerung vielfältige Unterstützung. Der prominenteste Kritiker im deutschen Sprachraum, der Münchner Kirchenhistoriker Ignaz von Döllinger, wurde am 23. April 1871 öffentlich exkommuniziert. Zahlreiche andere deutsche und schweizerische Katholiken, auch viele Priester, gründeten nun eine eigene Kirche, die sogenannte Altkatholische beziehungsweise Christkatholische Kirche, die bis heute besteht. Aber mit dem Beschluss vom 18. Juli 1870 galt nun als für jeden Katholiken verbindliche römische Lehre, dass der Papst, das monarchische Oberhaupt »der Kirche«, in Fragen nicht nur des Glaubens, sondern auch der Lebensführung, der Sitten unfehlbare, irrtumsfreie Ex-cathedra-Definitionen erlassen kann.
Dies führt bis in die Gegenwart zu heftigem Streit nicht nur zwischen den christlichen Kirchen, sondern auch innerhalb der römisch-katholischen »Weltkirche« selbst. Prominenten Kritikern des Unfehlbarkeitsdogmas wie etwa dem Tübinger Dogmatiker Hans Küng hat das römische Lehramt die Erlaubnis entzogen, an einer Katholisch-Theologischen Fakultät zu lehren. Doch der Streit wird auch vom Papst selbst immer neu provoziert.
Zwar machte
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