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Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Pötzl
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gegeben. Jetzt blieben nur noch 60 Bischöfe und 36000 Priester, die Mönchsorden waren fast völlig verschwunden.
    Dennoch hatten beide Seiten ihre wichtigsten Ziele erreicht. Der Staatskirchenvertrag stellt eine Art Konterrevolution in der Revolution dar, die bis dahin kaum jemand für möglich gehalten hatte. Die Republik hatte ihre Prinzipien gewissermaßen taufen lassen. Bald darauf läuteten zum ersten Mal seit Jahren wieder die Glocken von Notre-Dame, und der Erste Konsul wohnte am Ostersonntag 1802 dem feierlichen Hochamt bei, sehr zum Missfallen alter Revolutionäre und eingefleischter Aufklärer.
    Kirche und Staat hatten den Sprung in die politische Moderne geschafft: Die Versöhnung war erreicht – und zwar ohne Zwang und Gewalt, eine Seltenheit in den Jahren nach der Revolution. Das bonapartistische Regime praktizierte eine Art positivistischen Laizismus, in dem die Freiheit des Kults und die Pluralität der religiösen Bekenntnisse respektiert wurden.
    Die 77 »Organischen Artikel«, die als Ausführungsgesetz das Konkordat einseitig in französisches Recht übertrugen, verstärkten noch weiter die staatliche Autorität. Rom konnte keine Bulle erlassen und keinen Legaten entsenden ohne Genehmigung der Regierung; die Bischöfe durften sich nur nach vorheriger Erlaubnis zum Konzil versammeln. Der Papst nahm es hin, ohne es zu billigen.
    Die Gemüter hatten sich beruhigt, der Klerus stand in den folgenden Jahren treu ergeben zur Herrschaft Napoleons, die royalistische Opposition im Ausland hatte einen schweren Rückschlag erlitten. Und Napoleon konnte sich als Retter der Religion betrachten, woran er Rom gern erinnerte.
    Zu seiner Kaiserkrönung am 2. Dezember 1804 ließ er Pius VII . nach Paris kommen, in die Hauptstadt der Guillotine, was die Kurie einige Überwindung kostete. Der Papst blieb eine Nebenfigur bei der Zeremonie, fast Staffage, denn Napoleon setzte sich die Krone selbst auf und krönte eigenhändig auch seine Gattin Joséphine, die er in aller Eile und nicht ganz regelkonform zuvor noch kirchlich geheiratet hatte. Damit erfüllte er eine Bedingung des Papstes, dessen symbolische Anwesenheit und dessen Segen er wünschte, um seine Legitimität als durch und durch weltlicher Herrscher auch von Gottes Gnaden zu unterstreichen. Der Heilige Vater, notierte Kardinal Consalvi, empfinde für Kaiser Napoleon eine Art Faszination, eine Mischung aus Bewunderung und Furcht, väterlicher Zuneigung und Dankbarkeit. Pius bekam eine prächtige Tiara zum Dank geschenkt.
    Das Einvernehmen, das freilich alles andere als spannungsfrei war, hielt nur kurz – bis Napoleon den Heiligen Stuhl in seine Kriegspläne einbeziehen wollte. Er verlangte, die Häfen des Kirchenstaats im Zuge der Kontinentalsperre für englische Schiffe und deren Waren zu sperren: »Eure Heiligkeit ist der Fürst von Rom, aber ich bin sein Kaiser. Alle meine Feinde müssen die seinigen sein.«
    Doch der kleine Mönchs-Papst, von gebeugter Gestalt und verbindlichem Wesen, richtete sich diesmal zu voller Größe auf. Er diene dem Gott des Friedens, schrieb er an Napoleon, und das bedeute Frieden mit allen, ohne Unterschied.
    Napoleon hatte die Kraft des Pontifex unterschätzt, die Eskalation ließ sich nicht mehr aufhalten. Noch bevor der Krieg mit Österreich erneut ausbrach, befahl der Kaiser den Einmarsch seiner Truppen in den Kirchenstaat und die Besetzung Roms. Per Dekret vereinigte er den Kirchenstaat mit Frankreich, am 10. Juni 1809 ließ General Miollis die Trikolore über der Engelsburg aufziehen. Pius VII . reagierte sogleich mit der Bulle »Quum memoranda« und exkommunizierte alle »Usurpatoren«, die an diesem Sakrileg beteiligt waren. Die Heftigkeit überraschte Napoleon. »Ich erhalte die Nachricht, dass der Papst mich exkommuniziert hat«, schrieb er am 20. Juni, »das ist ein wild gewordener Irrer, den man einsperren muss.«
    Meinte er das wörtlich? Jedenfalls nahm General Etienne Radet den Papst daraufhin eigenmächtig fest und schaffte ihn aus Rom hinaus. Das habe er nicht gewollt, ließ Napoleon wissen, aber das Unheil war geschehen. Radet behielt für den Rest seines Lebens ein schlechtes Gewissen.
    Der Papst wurde in die ligurische Hafenstadt Savona gebracht. Dort blieb er bis zum 9. Juni 1811 – ein Gefangener, trotz aller Ehren und der Fürsorge, die man ihm zuteilwerden ließ. Aber er verstand es, aus seiner politischen Ohnmacht als armer Verfolgter in der willkürlichen Gewalt des Kaisers einen moralischen

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