Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Pötzl
Vom Netzwerk:
Gesellschaft die Macht des Glaubens vor Augen zu führen«.
    Wie kein Pontifex vor ihm verstand Wojtyla seinen Auftrag wörtlich, Brücken zu schlagen zu anderen Religionen und christlichen Konfessionen. 1983 besuchte der römische Bischof erstmals eine evangelische Kirche, die Christuskirche der deutschen Gemeinde in der italienischen Hauptstadt. Als erster Papst betrat Johannes Paul II. eine Synagoge (im April 1986 den »Tempio Maggiore« in Rom). Und als erster katholischer Oberhirte betete er in einem muslimischen Gotteshaus (im Mai 2001 in der Omajjaden-Moschee in Damaskus).
    Die Aussöhnung mit den Juden, die er »die älteren Brüder« der Christen nannte, war einer der Pfeiler seines Pontifikats. In der Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem bat er (im März 2000) die Juden um Vergebung: »Als Bischof von Rom und Nachfolger des Apostels Petrus versichere ich dem jüdischen Volk, dass die katholische Kirche tiefste Trauer empfindet über den Hass, die Verfolgungen und alle antisemitischen Akte, die jemals irgendwo gegen Juden von Christen verübt wurden.« Einen Zettel, auf den er die Entschuldigung geschrieben hatte, steckte der Papst in die Klagemauer in Jerusalem. Das Magazin »Jerusalem Report« stellte in einem Leitartikel fest: »In 2000 Jahren hat wahrhaftig kein Mensch mehr für die Aussöhnung zwischen Christen und Juden getan als dieser polnische Papst.«
    Unter dessen Leitung ordnete die katholische Kirche auch ihr Verhältnis zu den Naturwissenschaften. Dass sich die Erde um die Sonne dreht, wie die Astronomen Galileo Galilei und Nikolaus Kopernikus feststellten, hatte das Heilige Offizium, die päpstliche Inquisitionsbehörde, im Jahr 1616 als »töricht, absurd und ketzerisch« verurteilt. 1992 wurde Galileo Galilei rehabilitiert, ein Jahr später Nikolaus Kopernikus. Und auch mit der Evolutionslehre von Charles Darwin, die der wörtlichen Lesart der biblischen Schöpfungsgeschichte entgegensteht, machte die Kirche 1996 ihren Frieden.
    Fortwährend mischte sich Johannes Paul II. in die Weltpolitik ein; seine großen Themen waren Menschenrechte und Frieden. Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus übte er heftige Kritik am westlichen Kapitalismus und bewies damit, dass er sich nicht zum Büttel einer Ideologie oder des Zeitgeists machen ließ. Nicht nur in Ost- und Mitteleuropa, sondern auch im Westen müsse die Kirche »zu einer Großbewegung für die menschliche Person und zum Schutz ihrer Würde« werden, schrieb er in der Enzyklika »Centesimus annus« 1991.
    Politik und Religion berührten sich, als Johannes Paul II. im Oktober 1986 Vertreter aller Weltreligionen nach Assisi einlud, um gemeinsam für den Frieden zu beten. Es kamen 65 Gäste, die die zwölf wichtigsten Glaubensrichtungen repräsentierten: Buddhisten, Tibeter mit dem Dalai Lama an der Spitze, japanische Shinto-Priester, protestantische Pastoren, islamische Mullahs, jüdische Rabbiner und orthodoxe Bischöfe. In vielen Ländern, in denen seit Jahren Krieg herrschte, wurde der päpstliche Aufruf, die Waffen für 24 Stunden schweigen zu lassen, befolgt.
    Scharf verurteilte der Papst den Krieg der USA gegen den Irak; den Palästinensern bekundete er stets seine Sympathie. Als er im »Heiligen Jahr« 2000 nach Israel reiste, besuchte er demonstrativ auch das palästinensische Flüchtlingslager Deheische bei Bethlehem und appellierte dort an die Politiker, endlich eine friedliche Lösung für die Region zu finden.
    Ob es politische Hintergründe für ein am 13. Mai 1981 auf Johannes Paul II. verübtes Attentat gab, ist bis heute ungeklärt. Während der Papst in seinem »Papamobil«, einem offenen Geländewagen, zur Generalaudienz über den Petersplatz fuhr, feuerte der türkische Terrorist Mehmet Ali Agca mit einer Pistole auf ihn. Der dritte Schuss traf den Pontifex in den Bauch.
    Dass die Kugel lebenswichtige Organe verfehlte, schrieb der wundergläubige Marienverehrer dem Schutz durch die Muttergottes zu: »Eine Hand hat geschossen, eine andere hat das Geschoss geleitet.«
    Symbolkraft hatte für Johannes Paul II. auch das Datum. An einem 13. Mai – 1917, im Jahr der russischen Oktoberrevolution, wie der Papst immer wieder betonte – soll Maria in der Nähe des portugiesischen Dorfes Fátima erstmals drei Hirtenkindern erschienen sein und ihnen drei Weissagungen überbracht haben. Eine der Empfängerinnen schrieb zwischen 1935 und 1941 die Prophezeiungen auf, die im vatikanischen Geheimarchiv hinterlegt wurden. Die dritte

Weitere Kostenlose Bücher