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Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Pötzl
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Ambrosius, dem Verfasser einer christlichen Ethik. Erst mit dem Aufstieg Calvis in den Vorstand 1971 kamen neue, riskantere Geschäfte hinzu.
    In Italien standen die Zeichen auf Sturm. Die Ölkrise, Anschläge der linksextremistischen Terrorgruppe Rote Brigaden und spektakuläre Wahlerfolge der Kommunisten sorgten für Unruhe. Hinzu kam: Der Wert der Lira schmolz wie Eis in der Sonne. Die durchschnittliche Inflationsrate in den Jahren 1974 bis 1977 betrug 17,8 Prozent. Die Folge: Immer mehr Italiener versuchten ihr Geld außer Landes zu schaffen. Die Regierung erließ Gesetze, die Kapitalflucht unter Strafe stellten. Calvi erkannte, welche Chancen diese Konstellation bot.
    Wer es schaffte, Geld ins Ausland zu transferieren, konnte satte Provisionen verlangen. Die Herausforderung bestand darin, Kundengelder der eigenen Bank an Offshore-Filialen in der Schweiz oder auf den Bahamas zu überschreiben, ohne Spuren zu hinterlassen. Dazu bot sich eine Offshore-Bank an, die mitten in Italien liegt: das Istituto per le Opere di Religione ( IOR ), Institut für religiöse Werke – die Bank des Vatikans.
    Das IOR untersteht nicht der italienischen Bankenaufsicht, für die von ihm gezahlten Zinsen werden in Italien keine Steuern fällig und Überweisungen ins Ausland nicht überwacht. Die Kontakte zwischen dem Banco Ambrosiano und dem IOR hatte wohl Michele Sindona geknüpft – Anwalt, Steuerberater und Eigentümer dreier Banken in Mailand, Genf und New York. Sindona hatte Papst Paul VI . geholfen, die 20-prozentige Quellensteuer zu umgehen, die der Fiskus von den Einnahmen des katholischen Wirtschaftsimperiums in Italien haben wollte. Er tauschte Lira in Franken und Dollar und legte das Vatikan-Geld hochspekulativ in den Vereinigten Staaten an.
    Als die US -Geschäfte 1974 in die Binsen gingen, übernahm Calvi Sindonas Kunden – den Vatikan und die Mafia, die über Sindonas Bankenimperium Drogengelder gewaschen hatte. Die Bank, die man für Geschäfte dieser Art brauchte, hatte Calvi schon im März 1971 auf den Bahamas gegründet: die Cisalpine Overseas Bank. Gründungskapital: angeblich mehrere hundert Millionen Dollar. Wo Calvi diese enorme Summe aufgetrieben hatte, ist bis heute unklar. Gerüchte, es habe sich um Mafia-Geld gehandelt, sind nie verstummt. Für etwa die Hälfte des Startkapitals gibt es bis heute keinen Herkunftsnachweis. 2,5 Prozent sollen von Sindona gekommen sein, weitere 2,5 vom IOR , dessen Präsident Bischof Paul Casimir Marcinkus im Aufsichtsrat der Cisalpine saß.
    Eine Konstruktion, die allen nützte: Calvi konnte via IOR das Vermögen seiner betuchten Klientel sicher ins Ausland schaffen. Marcinkus bekam fette Provisionen, und der Pole Karol Wojtyla hatte, nachdem er 1978 Papst Johannes Paul II. geworden war, ein ideales Instrument, um die polnische Untergrundgewerkschaft Solidarno ść heimlich mit Millionen Dollar zu unterstützen. Und die Mafia konnte Drogengelder aus den USA via Cisalpine zum IOR oder zum Banco Ambrosiano schleusen, wo das Geld frisch gewaschen abgeholt werden konnte.
    Mitte der siebziger Jahre wurde Calvi Mitglied der Freimaurerloge Propaganda due (P 2) – einer Geheimorganisation, in der Minister, Parlamentsabgeordnete, Journalisten, Generäle und Geheimdienstler Mitglied waren. Die Herren verband die Angst vor wachsenden Erfolgen der italienischen Kommunisten, eine nostalgische Haltung zur faschistischen Vergangenheit des Landes und der feste Wille, massiv steuernd in die italienische Politik einzugreifen.
    Chef der Loge war Licio Gelli, ein Matratzenfabrikant mit besten Verbindungen in den Vatikan und zum US -Geheimdienst CIA . Bei den Inaugurationsfeiern der US -Präsidenten Gerald Ford, Jimmy Carter und Ronald Reagan stand er auf der Gästeliste. Gelli hatte Ende der sechziger Jahre Calvi und den Mafia-Banker Sindona zusammengebracht; nun begann er Calvi für seine Zwecke einzusetzen – etwa für einen von ihm protegierten Mailänder Bauunternehmer, der ins Fernsehgeschäft einsteigen wollte: Silvio Berlusconi, P2-Mitgliedsnummer 1816.
    Calvi macht bei der Cisalpine 33 Millionen Dollar locker und beteiligt sich an einem Subunternehmen von Berlusconis Firma Fininvest Limited. Wenig später bringt Gelli den »Bankier Gottes« dazu, durch Kredite Einfluss auf das Verlagshaus Rizzoli zu nehmen, dem Italiens führende Tageszeitung gehört, der »Corriere della Sera«. Für Gellis politische Ambitionen ist das gut, für Calvi und den Banco Ambrosiano schlecht.
    Die Gelder

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