Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Botschaft, deren Geheimnis erst im Jahr 2000 gelüftet wurde, soll besagt haben, dass ein »in Weiß gekleideter Bischof« von einer Gruppe von Soldaten getötet werde, »die mit Feuerwaffen und Pfeilen auf ihn schossen«. Die blutdurchtränkte weiße Schärpe seiner Soutane, die der Papst bei dem Attentat trug, opferte er der Schwarzen Madonna von Tschenstochau in Polen. Die Kugel, die ihm aus dem Bauch operiert worden war, ließ er, vergoldet und in eine Krone eingearbeitet, nach Fátima bringen.
Als Drahtzieher des Mordanschlags wurden östliche Geheimdienste vermutet. Den Attentäter, der über mögliche Auftraggeber schwieg und zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt wurde, besuchte Johannes Paul II. im römischen Rebibbia-Gefängnis – eine eindrucksvolle Geste der Vergebung.
Von den Folgen seiner Verletzungen aber hat sich der zuvor so vitale und sportliche Papst nie mehr vollständig erholt. Hinzu kamen weitere Krankheiten und Operationen, darunter ein künstliches Hüftgelenk, das ihm fortan das Gehen erschwerte. Am schwersten setzte ihm die Parkinson-Krankheit zu. Mit eisernem Willen versuchte er seine zitternden Glieder unter Kontrolle zu halten, mit sichtlicher Mühe, klare Worte zu formen. Der Kontrast zwischen körperlichem Verfall und geistiger Stärke des Greises verlieh dem Pontifex eine neue Faszination.
Gezeichnet von schwerer Krankheit, übte er bis zuletzt sein strapaziöses Amt aus und schonte sich nicht. »Ausruhen kann ich mich noch eine Ewigkeit«, pflegte er zu sagen. Ein Rücktritt kam für ihn nicht in Frage: »Jesus ist auch nicht einfach vom Kreuze gestiegen.« Noch am Ostermorgen 2005 versuchte er, trotz eines schlecht verheilenden Luftröhrenschnitts, oben am Fenster des Apostolischen Palasts den Segen »urbi et orbi« zu spenden – aber er brachte keine Worte mehr hervor, nur ein Röcheln. Sechs Tage später starb er.
»Santo subito!« (»Sofort heiligsprechen!«), skandierten Zehntausende auf dem Petersplatz, als Kardinaldekan Joseph Ratzinger die Totenmesse für Johannes Paul II. las. Ratzinger, als Benedikt XVI . dessen Nachfolger, beeilte sich, dem dringlichen Wunsch zu folgen.
Entgegen der Regel, dass bis zur Einleitung eines Seligsprechungsverfahrens fünf Jahre seit dem Tod des Kandidaten vergangen sein sollen, ließ der neue Papst schon nach wenigen Wochen die Prozedur eröffnen. Die medizinisch nicht erklärbare Heilung einer französischen Nonne von der Parkinson-Krankheit wurde als – das für eine Seligsprechung erforderliche – Wunder anerkannt. Am 1. Mai 2011 verkündete Benedikt XVI .: »Johannes Paul II. ist selig.«
Public Viewing im Vatikan
Die Generalaudienzen am Mittwoch sind die beste Gelegenheit, dem Heiligen Vater nahe zu sein. Eintrittskarten gibt es gratis.
Von Fiona Ehlers
Seit den Morgenstunden harren sie aus auf dem Petersplatz, auf mausgrauen Plastikstühlen unter Schirmen gegen die sengende Sonne. Es ist Mittwoch, Tag der »udienza«, der wöchentlichen Generalaudienz des Papstes. Von Ostern bis Juli empfängt der Papst Pilger aus aller Welt unter einem Baldachin vor den Stufen zum Petersdom. Im August reisen sie ihm hinterher in die Sommerresidenz Castel Gandolfo in die kühlen Albaner Berge. Im Winter stehen sie Schlange vor der Audienzhalle, dem mächtigen Neubau hinter den Mauern der Vatikanstadt.
Die Mittwochsaudienz ist die beste Gelegenheit, dem Heiligen Vater nahe zu sein. Es ist mühsam, aber machbar: Man schickt ein Fax an die »Präfektur des Päpstlichen Hauses«, schreitet einen Tag zuvor an salutierenden Schweizergardisten die Treppen im Apostolischen Palast hinauf und holt die kostenlosen, buntgedruckten Eintrittskarten in einem winzigen Büro mit beachtlichem Bronzeportal ab. So haben es für diesen Mittwoch die mit Digitalkameras bewaffneten Schulklassen gemacht, chinesische Christen aus Shanghai, Pfälzer Landfrauen, die Betreuer der Rollstuhlfahrer und jede Menge Hochzeitspaare aus aller Welt.
Gleich ist es so weit. Gleich dürfen ein paar Auserkorene aus der »prima fila«, der ersten Reihe, zwei, drei Sätze mit dem Papst wechseln, ihm die Hand schütteln, ja sogar die Andeutung eines Kusses auf seinen Fischerring hauchen, den goldenen Amtsring der Päpste. Dazu allerdings genügt kein Fax, dazu bedarf es einer persönlichen Einladung des Papstes. In den Genuss der »prima fila« kommt nur jemand, der einen Verwandten im Vatikan hat, einen himmlischen Draht zum Privatsekretär des Papstes, ein unaufschiebbares
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