Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Treffen. Damals ließen sie sich auch noch in der »sedia gestatoria«, dem tragbaren Thron, durch den Petersdom schleppen und pflegten von oben Kontakt zu Bischöfen bei deren alle fünf Jahre pflichtgemäß stattfindenden Ad-limina-Besuchen.
Bis heute werden Privataudienzen in der Regel nur Staatsoberhäuptern und Regierungschefs gewährt – deutschen Ministerpräsidenten auch, da Religion und Kultur in Deutschland Ländersache sind. Privataudienz beim Papst heißt: 25 Minuten in dessen Privatbibliothek, einen Stock unter der Papstwohnung, dort, wo jetzt die Schwestern Fenster putzen.
Der Letzte, der kam, war Ministerpräsident Horst Seehofer. Im April 2012 reiste er mit einer Entourage von 150 Bayern zu Benedikts 85. Geburtstag an. Sie tanzten Schuhplattler – das gab es noch nie im Vatikan. Benedikt soll es »herzig« gefunden haben. Auf einem anschließenden Empfang sang Seehofer ein Loblied auf den Tag, an dem Rom noch bayerischer geworden sei. Dass der geschiedene Wiederverheiratete mit unehelichem Kind dabei auch die Kommunion empfangen hatte, sorgte nur in Deutschland für Kopfschütteln. In Rom kümmerte das nicht einmal die »prima fila«.
Fels mit Zukunft
Die historische und religiöse Kraft des Papsttums
Von Martin Mosebach
I. War Petrus in Rom? Ist er in Rom am Kreuz gestorben oder anderswo im Bett? Erhebt sich der Petersdom mit Berninis gigantischem Bronzetabernakel über dem Grab des Petrus? Dies sind neue Fragen – erst ein Jahrhundert, das grundsätzlich jede Überlieferung in Frage stellt, hat sie formuliert. Zu den geistigen Sonderbarkeiten der Aufklärung gehört eine gelegentliche Liebe zu Verschwörungstheorien: Karl den Großen und die drei ihm folgenden Jahrhunderte habe es nie gegeben, sie entstammten einer List des dokumentenfälschenden ottonischen Klerus; Shakespeare sei nicht Shakespeare, sondern Francis Bacon oder der Earl of Oxford; und eben der Tod Petri in Rom – Priestertrug, um dem Herrschaftsanspruch des Papsttums ein Fundament zu konstruieren. Aber warum ist dann in allen Jahrhunderten, in denen der Primat des Bischofs von Rom als Nachfolger des Petrus erst keimhaft entwickelt war, die Tatsache des römischen Petrusgrabes niemals umstritten gewesen? Warum hat die byzantinische Orthodoxie, die in einem auch vor der Kirchenspaltung schon heftigen Machtkampf mit dem römischen Papst lag, niemals den Märtyrertod des Petrus in Rom und seinen Ehrenprimat unter den Patriarchen der Kirche in Zweifel gezogen?
Sektenkriege tobten in der jungen Kirche, jede Art von Häresie, die denkmöglich ist, wurde entwickelt und ausgetragen, so dass man tatsächlich sagen kann, es habe in der späteren Kirche bis auf den heutigen Tag nicht einen einzigen theologischen Streit gegeben, der nicht in diesen ersten Jahrhunderten wurzelt – nur, dass Petrus als Bischof von Rom unter Nero gekreuzigt wurde, stand für alle Christen der Antike fest, auch wenn es keinen Eintrag im römischen Einwohnermeldeamt gab und nicht das Aktenzeichen seiner Hinrichtung. Der galiläische Fischer, der in die Weltstadt kam, hinterließ Spuren vor allem in der Erinnerung der Menschen, die durch seine Predigt Christen wurden. Zur katholischen Kirche gehört ein Vertrauen in die Tradition. Für einen Katholiken ist es beinahe ein wenig peinlich, sich den szientistischen Ritualen der Gegenwart anzuschließen und auf die neueren und neusten Forschungen zu verweisen, die bestätigen, was er schon vorher wusste: dass Petrus die römische Kirche gegründet hat.
»Zwei Dinge brauchte Gott, um Mensch zu werden: den Schoß der Jungfrau und die lateinische Sprache.« Dieser Satz von Paul Claudel, so provokativ, wie das zu diesem Autor gehört, fasst zusammen, wie ein katholischer Blick die Weltgeschichte auffasst. Das Wort wurde »in der Fülle der Zeiten« Fleisch, und zwar in einer Provinz des römischen Reiches – so war dies übernatürliche Ereignis auf das Engste mit Rom verbunden. Dass die Kirche dauern sollte, dass der Glaube an Jesus Christus weitergegeben werden sollte, das erforderte notwendig eine Institution, und die Institution schlechthin war der sich unter den Kaisern zu einer Universalmonarchie entwickelnde römische Staat. Der theologische Streit, wie viel an Rechten und Machtvollkommenheiten des Papstes dem Papstamt wesentlich sind, wie viel später usurpiert wurde und der ursprünglichen Ausprägung des Papstamtes gar widersprach, ist vor dieser Grunddisposition eigentlich überflüssig.
Schon richtig:
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