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Die Päpstin

Titel: Die Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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sie, nahm den Verschluß ab und roch am Fläschchen; dann noch einmal. Sie tauchte einen Finger in die Flüssigkeit und
     legte ihn sich auf die Zunge, kostete sorgfältig. Die Spannung in der Gruppe um sie herum war beinahe körperlich zu spüren.
    Noch einmal roch sie am Fläschchen und kostete den Inhalt. Es gab keinen Zweifel.
    Ein gerissener Trick, ihr den Urin einer schwangeren Frau als den des Papstes unterzuschieben. Auf diese Weise hatten die
     Ärzte Johanna in eine absolute Zwangslage gebracht. Als einfacher Priester – noch dazu als Ausländer – konnte sie es nicht
     wagen, eine so erlauchte Versammlung der arglistigen Täuschung zu bezichtigen. Andererseits
mußte
sie die wahre Herkunft des Urins offenbaren, sonst würde man sie als Betrüger hinstellen.
    Die Falle war geschickt gestellt. Wie konnte sie ihr entkommen?
    Johanna dachte nach.
    Dann wandte sie sich der Versammlung zu und verkündete mit ehrfurchtsvoller Stimme: »Hier sind keine Dämonen am Werk, sondern
     der Herrgott selbst. Er tut ein Wunder. In spätestens einem Monat wird der Heilige Vater Mutter.«
     
    Benedikt schüttelte sich vor Lachen, als er mit Johanna die Große Halle verließ. »Wie diese alten Männer geguckt haben! Ich
     konnte mich nur mit Mühe zurückhalten, laut loszulachen!« Es schien ihn sehr zu erheitern, wie Johanna mit den Ärzten umgesprungen
     war. »Ihr habt Euer Können bewiesen und die Täuschung ohne ein Wort des Vorwurfs enthüllt. Das war großartig!«
    Als sie sich dem päpstlichen Schlafgemach näherten, hörten sie heisere Rufe hinter der Tür.
    »Halsabschneider! Blutsauger!
Noch
bin ich nicht tot!« Ein lautes Krachen und Klirren ertönte, als irgend etwas geworfen wurde.
    Benedikt öffnete die Tür. Sergius saß im Bett; sein Gesicht |346| war dunkelrot vor Zorn. Zwischen Tür und Bett lag eine zerbrochene Tonschüssel vor einer Gruppe eingeschüchterter Priester
     und schaukelte auf dem Fußboden heftig auf und ab. Sergius schnappte sich einen goldenen Becher und holte aus, ihn nach den
     glücklosen geistlichen Würdenträgern zu werfen.
    Benedikt eilte zum Bett und packte Sergius’ Hand. »Aber, aber, Bruder. Du weißt doch, was die Ärzte gesagt haben. Du bist
     krank; du darfst dich nicht so aufregen.« Mit einiger Mühe zerrte er Sergius den Becher aus der Hand und stellte ihn zurück
     auf den Tisch.
    Sergius sagte anklagend: »Ich bin aufgewacht, und was sehe ich da?« Er zeigte auf die Geistlichen. »Diese Bande reibt mich
     mit Öl ein! Sie wollten mir die
unctio extrema
erteilen.«
    Die Prälaten schwiegen und strichen sich mit angeknackster Würde die Roben glatt. Es schien sich um wichtige Männer zu handeln;
     einer, der das Pallium eines Erzbischofs trug, sagte: »In Anbetracht des sich verschlechternden Gesundheitszustands Seiner
     Heiligkeit hielten wir es für angeraten, ihm vorsichtshalber die Letzte Ölung …«
    »Raus mit Euch«, wurde er von Benedikt unterbrochen.
    Johanna staunte. Benedikt mußte tatsächlich ein sehr mächtiger Mann sein, daß er so mit einem Erzbischof umsprang.
    »Überlegt, was Ihr tut, Benedikt«, warnte der Erzbischof. »Wollt Ihr die unsterbliche Seele Eures Bruders in Gefahr bringen?«
    »Hinaus!« Benedikt wedelte mit den Armen, als wollte er einen Schwarm Amseln verscheuchen. »Alle!«
    Die Würdenträger zogen sich zurück und verließen schmollend in einmütiger Entrüstung das Zimmer.
    Kraftlos ließ Sergius sich zurück in die Kissen sinken. »Der Schmerz, Benedikt«, jammerte er. »Ich kann den Schmerz nicht
     mehr ertragen!«
    Aus einem Krug neben dem Bett goß Benedikt Wein in den goldenen Becher und hielt ihn Sergius an die Lippen. »Trink«, sagte
     er, »dann wird’s dir besser gehen.«
    Sergius trank mit gierigen Schlucken. »Mehr«, verlangte er, kaum daß er den Becher geleert hatte. Benedikt schenkte ihm noch
     einmal ein; dann füllte er den Becher ein drittes Mal. Der Wein lief Sergius aus den Mundwinkeln. Er war ein kleiner, aber
     ungemein dicker Mann, dessen Gesicht nur aus mehreren |347| Kugeln, Halbkugeln und Kreisen bestand: Der runde Kopf saß auf einem runden Kinn, und runde Augen blickten aus zwei dicken
     Fleischringen hervor.
    »Schau nur«, sagte Benedikt, nachdem Sergius’ Durst gestillt war, »was ich für dich getan habe, Bruder. Ich habe jemanden
     mitgebracht, der dir helfen kann. Es ist Johannes Anglicus, ein Heiler von hohem Ansehen.«
    »Schon wieder ein Arzt?« sagte Sergius mißtrauisch.
    Doch der Papst

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