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Die Päpstin

Titel: Die Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Mann zu seinem Nachfolger wählte, und dann mochten zwanzig oder mehr Jahre vergehen, bevor der Papstthron wieder frei wurde.
     Anastasius hatte nicht die Absicht, so lange zu warten, um sein Lebensziel zu verwirklichen.
    »Ich hoffe, Euer Bruder ist in guten ärztlichen Händen.«
    »Er ist Tag und Nacht von Männern umgeben, die für seine Genesung beten.«
    »Aha«, sagte Anastasius; dann trat eine Pause ein. Beide Männer waren skeptisch, was die Wirksamkeit einer solchen Maßnahme
     betraf, doch keiner wollte seine Zweifel offen zeigen.
    »Es gibt da jemanden an der Scola Anglorum«, sagte Anastasius schließlich. »Einen Priester, dem man erstaunliche Heilkünste
     nachsagt.«
    »Ach?«
    »Soviel ich weiß, nennt man ihn Johannes Anglicus. Ein Ausländer. Offenbar ist er ein hochgelehrter Mann. Die Leute behaupten
     sogar, er könne Wunderheilungen vollbringen.«
    »Vielleicht sollte ich nach ihm schicken lassen«, sagte Benedikt.
    »Vielleicht«, erwiderte Anastasius; dann ließ er das Thema fallen. Er spürte, daß Benedikt ein Mann war, den man zu nichts
     drängen durfte. Behutsam wandte Anastasius das Gespräch anderen Dingen zu. Als er der Meinung war, lange genug geblieben zu
     sein, wandte er sich zum Gehen. »
Dominus tecum, Benedictus.«
    »Et Deus vobiscus.«
Wieder tat Benedikt der lateinischen Sprache Gewalt an.
    Du ungebildeter Trampel,
dachte Anastasius. Daß ein Mann wie Benedikt in eine so hohe Machtposition aufsteigen konnte, war beschämend, ein Makel für
     den Ruf der Kirche. Nach einer eleganten Verbeugung wandte Anastasius sich um und ging.
    Benedikt beobachtete, wie er den Flur hinunterschritt.
Kein übler Kerl für einen Adeligen,
dachte er.
Ich werde diesen Heiler-Priester kommen lassen, diesen Johannes Anglicus.
Wahrscheinlich würde es böses Blut geben, jemanden ans Krankenbett des Papstes zu bestellen, der nicht der römischen Ärztegemeinschaft
     angehörte; aber das spielte keine Rolle. Er, Benedikt, |342| würde schon eine Möglichkeit finden. Wenn man wußte, was man wollte, gab es immer eine Möglichkeit.
     
    Drei Dutzend Kerzen brannten am Fuße des großen Bettes, in dem Sergius lag. Hinter den Kerzen kniete eine Gruppe von Mönchen
     in schwarzen Gewändern; mit tiefen, monotonen Stimmen sprachen sie Litaneien.
    Ennodius, der oberste Arzt der Stadt Rom, hob seine eiserne Lanzette, zog sie geschickt über Sergius’ linken Unterarm und
     schlitzte die Hauptschlagader auf. Blut strömte aus der Wunde und lief in eine silberne Schüssel, die Ennodius’ Gehilfe hielt.
     Der Arzt schüttelte den Kopf, als er das Blut in der Schüssel betrachtete. Es war dick und dunkel; die üblen, verderblichen
     Säfte, die für die Krankheit des Papstes verantwortlich waren, wollten einfach nicht aus dem Körper weichen. Ennodius ließ
     die Wunde noch eine Zeitlang offen, so daß das Blut länger floß als üblich. Er würde Sergius jetzt einige Tage lang nicht
     zur Ader lassen können; denn der Mond wechselte in das Zeichen der Zwillinge, ein für den Aderlaß ungünstiges Sternzeichen.
    »Wie sieht es aus?« fragte Florus, ein Arztkollege.
    »Schlecht. Sehr schlecht.«
    »Laßt uns kurz nach draußen gehen«, sagte Florus. »Ich muß mit Euch reden.«
    Ennodius stillte die Blutung, drückte die Hautlappen zusammen und übte mit der Hand Druck aus. Die Wunde mit Blättern der
     Gartenraute zu verbinden, die mit Fett bestrichen und in Leinen gewickelt waren, überließ er seinem Gehilfen. Er wischte sich
     das Blut von den Händen und folgte Florus auf den Flur.
    »Man hat nach jemand anderem geschickt«, sagte Florus drängend, kaum, daß sie unter sich waren. »Nach einem Heiler von der
     Scola Anglorum.«
    »Was?« stieß Ennodius fassungslos hervor. Die Ausübung des Arztberufs innerhalb der Stadt mußte streng auf die Mitglieder
     der römischen Ärztegemeinschaft beschränkt bleiben – wenngleich in Wahrheit ein kleines Heer von Quacksalbern und Amateur-Heilkundigen,
     die keine offizielle Anerkennung als Ärzte besaßen, in der Stadt ihr fragwürdiges Handwerk ausübten. Doch man duldete diese
     Laien, solange sie anonym unter den Armen der Stadt arbeiteten. Aber eine offizielle Anerkennung |343| eines dieser Kurpfuscher – vor allem, wenn der Betreffende direkt aus dem Papstpalast kam – stellte eine Gefährdung der römischen
     Ärzteschaft dar.
    »Der Mann wird Johannes Anglicus genannt«, fuhr Florus fort. »Gerüchte besagen, daß er von außerordentlichen Kräften

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