Die Päpstin
davongekarrt worden, um sie für den Bau von Häusern zu verwenden,
denn so gutes und festes Baumaterial war in diesen finsteren Zeiten eine Seltenheit. In der dunklen Erde las Gerold die Spuren,
die Lothars Heer hinterlassen hatte; der Boden war von den unzähligen Hufen, Wagenrädern und Stiefeln tief aufgewühlt. Gerold
und seine Männer mußten mit den Pferden besonders vorsichtig sein, denn schon ein unglücklicher Schritt genügte, und eins
der Reittiere lahmte oder brach sich gar ein Bein. Während der Nacht verwandelten schwere Regenfälle die Straße in einen unpassierbaren,
riesigen See aus Schlamm. Gerold beschloß, über das offene Land weiterzuziehen, statt einen nochmaligen Halt zu befehlen,
und sich in Richtung Via Palestrina zu wenden, die ihn und seine Männer durch das östliche Tor von Sankt Johannes nach Rom
hineinführen würde.
Sie ritten in zügigem Tempo über erblühende, duftige Wiesen voller Enzian und durch Wälder, an denen bereits die goldgrünen
Blätter des Frühlings sprießten. Als die Männer aus einem ausgedehnten Stück Heideland hervorkamen, das mit dichtem Gesträuch
bewachsen war, stießen sie auf eine Reitergruppe, die einen schweren Wagen eskortierte, der von vier kräftigen Zugpferden
gezogen wurde.
»Ich grüße Euch«, sagte Gerold zu dem Mann, der den Zug zu führen schien, ein dunkelhäutiger Bursche mit schmalen, |391| verschwollenen Augen.»Könnt Ihr uns sagen, ob wir auf dem richtigen Weg zur Via Palestrina sind?«
»Das seid Ihr«, erwiderte der Mann kurz angebunden.
»Falls Ihr zur Via Flaminia unterwegs seid«, sagte Gerold, »dann laßt es Euch lieber noch einmal durch den Kopf gehen. Die
Straße ist vollkommen aufgeweicht. Euer Wagen wird bis zu den Achsen einsinken, bevor Ihr auch nur zehn Meter weit gekommen
seid.«
»Dorthin wollen wir nicht«, erwiderte der Mann knapp.
Seltsam,
ging es Gerold durch den Kopf. Von der Straße abgesehen, befand sich in der Richtung, die diese Fremden eingeschlagen hatten,
nur wildes, unbewohntes Land. »Wohin wollt Ihr denn?« fragte er.
»Ich habe Euch alles gesagt, was Ihr wissen müßt«, antwortete der Fremde schroff und trieb sein Pferd voran.»Reitet weiter,
und laßt einen ehrbaren Händler in Ruhe seinen Geschäften nachgehen.«
Kein gewöhnlicher Händler würde einen adeligen Herrn dermaßen hochmütig behandeln. Gerold wurde mißtrauisch.
»Womit handelt Ihr denn?« Er ritt zum Wagen. »Vielleicht könnte ich etwas gebrauchen, und …«
»Finger weg!« brüllte der Mann.
Doch Gerold schlug bereits die Plane zurück, so daß die Ladung des Wagens zum Vorschein kam: ein Dutzend bronzener Truhen
mit schweren Eisenschlössern daran. Und jede Truhe trug unübersehbar das päpstliche Wappen.
Die Männer des Papstes,
dachte Gerold bei sich.
Man muß sie aus der Stadt geschickt haben, um den päpstlichen Schatz vor Lothar in Sicherheit zu bringen.
Gerold spielte mit dem Gedanken, den Schatz zu übernehmen und ihn Lothar zu bringen. Dann aber sagte er sich:
Nein. Sollen die Römer soviel an Schätzen fortschaffen, wie sie nur können.
Papst Sergius hatte gewiß eine bessere Verwendung für das Geld als Lothar, der es nur dazu benutzen würde, noch brutalere
und blutigere Feldzüge zu führen.
Gerold wollte seinen Männern gerade den Befehl zum Weiterritt erteilen, als einer der Römer vom Pferd sprang und sich flehend
zu Boden warf. »Gnade, Herr!« rief er. »Verschont uns! Wenn wir mit der Last eines so schweren Verbrechens auf der Seele sterben,
ist uns die ewige Verdammnis gewiß!«
»Verbrechen?« fragte Gerold.
|392| »Halt dein Maul, du Narr!« Der Führer des Wagenzuges wollte sein Pferd anspornen und den Mann von den Hufen des Tieres zertrampeln
lassen, doch Gerold hielt ihn mit gezücktem Schwert zurück. Auch seine Männer zogen die Waffen und umringten die kleine Gruppe
von Römern, die klugerweise die Hände von den Schwertern ließen, als sie erkannten, wie hoffnungslos unterlegen sie waren.
»Ihm dort müßt Ihr die Schuld geben!« Der Mann, der sich zu Boden geworfen hatte, zeigte zornig auf den Anführer. »Es war
Benedikts Idee, das Geld zu stehlen, nicht unsere!«
Das Geld stehlen?
Der Mann, der angeblich Benedikt hieß, wandte sich beschwichtigend an Gerold. »Ich habe keinen Streit mit Euch, Herr, und
der nichtige kleine Hader zwischen mir und meinen Leuten interessiert Euch gewiß nicht. Laßt uns in Frieden weiterziehen,
und nehmt Euch
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