Die Päpstin
als Zeichen unserer Dankbarkeit eine der Truhen.« Er lächelte Gerold verschwörerisch zu. »Es ist genug Gold
darin, Euch zu einem reichen Mann zu machen.«
Das Angebot – wie auch die Art und Weise, in der es unterbreitet worden war – ließ alle Zweifel schwinden. »Fesselt den Kerl«,
befahl Gerold. »Und die anderen. Wir werden die Männer und diese Truhen mit nach Rom nehmen.«
Der Große Saal im Patriarchum erstrahlte im Licht von hundert Fackeln. Eine Phalanx von Dienern stand hinter dem riesigen
Tisch, an dem Papst Sergius saß, flankiert von den hohen Würdenträgern der Stadt: Die Diakone aus den sieben Stadtteilen Roms
saßen zu seiner Rechten; ihre weltlichen Gegenstücke, die sieben
defensores,
zu seiner Linken. Im rechten Winkel zum Tisch des Papstes stand ein zweiter, ebenso groß und schwer, an dem der Kaiser und
sein Gefolge die Ehrenplätze eingenommen hatten. Der Rest der Gesellschaft, insgesamt etwa zweihundert Männer, saß auf harten
Holzbänken an langen Tischen in der Mitte des Großen Saales. Das Mahl war bereits aufgetragen, und die Tische bogen sich unter
der Last der köstlichen Speisen.
Da es weder ein Samstag noch ein Mittwoch noch sonst ein Fastentag war, bestand die Mahlzeit nicht bloß aus Brot und Fisch,
sondern auch aus Fleisch und Wurst und anderen Delikatessen. Selbst für die Tafel eines Papstes war es ein opulentes |393| Mahl: Es gab Platten mit Kapaun, der in weißer Sauce schwamm und mit Granatäpfeln und anderen Süßigkeiten garniert war; Schüsseln
mit zartem Wild: Hasen und Rehen, Waldschnepfen und Wachteln, das mit würzig duftender, fetter Creme übergossen war; Lachs
und Langusten, in Aspik eingelegt; ganze Schweine, am Spieß geröstet und vor Fett triefend, sowie Platten mit den verschiedensten
Fleischsorten: Rind und Lamm, Taube und Gans. Mitten auf Lothars Tisch war ein gekochter Schwan so hergerichtet, daß er den
Eindruck erweckte, er würde noch leben; sein Schnabel war vergoldet, und der versilberte Körper ruhte auf einem Bett aus Gemüse,
das so kunstvoll arrangiert war, daß es wie die wogende Oberfläche eines Sees aussah.
An einem der Tische in der Mitte des Saales saß Johanna und ließ sorgenvolle Blicke über die Köstlichkeiten schweifen, die
Sergius leicht dazu verleiten konnten, wieder in gefährliche Völlerei zu verfallen.
»Einen Trinkspruch!« Der Graf von Macon erhob sich von seinem Platz neben Lothar und reckte seinen Weinbecher in die Höhe.
»Auf den Frieden und die Freundschaft zwischen unseren beiden christlichen Völkern!«
»Friede und Freundschaft!« riefen alle Versammelten im Chor und leerten ihre Becher. Sofort eilten Diener herbei, um sie nachzufüllen.
Eine Vielzahl weiterer Trinksprüche folgte; dann wurde das Festmahl eröffnet.
Entsetzt beobachtete Johanna, daß Sergius wieder mit hemmungsloser Hingabe aß und trank. Bald traten ihm die Augen aus den
Höhlen, die Zunge wurde ihm schwer, und seine Haut nahm eine unheilverkündende dunkle Farbe an. Johanna erkannte, daß sie
dem Papst an diesem Abend eine sehr starke Dosis Colchicum würde verabreichen müssen, um einem neuerlichen schweren Gichtanfall
vorzubeugen.
Plötzlich wurden die Türen des
triclinium
geöffnet, und ein Trupp päpstlicher Gardisten kam hereinmarschiert. Die Männer schlängelten sich zwischen den Tischen und
der Schar der geschäftig umhereilenden Diener hindurch und näherten sich dem Tisch des Papstes. Tiefe Stille breitete sich
aus, als die Gäste ihre Gespräche unterbrachen. Alle reckten die Hälse, um den Grund für diese ungewöhnliche Störung zu erfahren.
Plötzlich durchlief lautes Murmeln den Saal, als die Versammelten |394| den Mann erkannten, der mit gefesselten Händen und gesenktem Blick in der Mitte der Wachtposten ging.
Benedikt.
Das fröhliche, gedunsene Gesicht Sergius’ schrumpfte wie eine angestochene Schweinsblase, als er seinen Bruder erblickte.
»
Du!«
rief er.
Tarasius, der Kommandeur der Garde, erklärte: »Ein fränkischer Trupp hat ihn in der Campagna aufgegriffen, Heiligkeit. Er
hatte den Schatz dabei.«
Auf dem Rückweg nach Rom war Benedikt reichlich Zeit geblieben, zu überlegen, was er tun sollte. Daß er versucht hatte, den
Schatz zu rauben, konnte er nicht leugnen; schließlich war er auf frischer Tat ertappt worden. Und wenngleich er sich das
Hirn zermartert hatte – eine plausible Erklärung für seine Tat war ihm nicht eingefallen. Schließlich war
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