Die Päpstin
es erwartet hatte.
Gerold deutete ihr Schweigen falsch. »Ich werde dir nicht wieder den Vorschlag machen, mich zu heiraten«, sagte er. »Ich weiß,
daß wir niemals wie Mann und Frau zusammensein können. Aber wir würden uns oft sehen, und wir könnten zusammen arbeiten, wie
wir es schon einmal getan haben. Wir waren immer ein gutes Gespann, nicht wahr?«
Johannas Stimme war nurmehr ein Flüstern. »Ja. Das waren wir.«
»Sanctus, sanctus, sanctus.«
Die Worte des letzten Lobgesanges wehten durch das offene Fenster in die kleine Kammer. Die Weihezeremonie näherte sich ihrem
Ende.
»Komm.« Gerold hielt Johanna die Hand hin. »Gehen wir unseren neuen Papst begrüßen.«
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|441| 25.
Der neue Papst nahm seine Pflichten mit so viel jugendlichem Elan in Angriff, daß alle Welt nur so staunte. Scheinbar über
Nacht verwandelte sich das Patriarchum von einem verstaubten, klösterlichen Ort in einen wimmelnden Bienenstock hektischer
Betriebsamkeit. Notare und Schreiber eilten über die Flure, beladen mit Pergamentrollen, auf denen Pläne und Karten, Satzungen,
Schenkungen und Urkundenregister verzeichnet waren.
Eine der ersten Anweisungen Leos lautete, die Befestigungen der Stadt zu verstärken. Auf Geheiß des neuen Papstes nahm Gerold
eine sorgfältige Überprüfung der gesamten Stadtmauer vor, wobei er jede Schwachstelle genau verzeichnete. Nach seinen Vorschlägen
wurden anschließend Pläne erarbeitet, und man nahm die Instandsetzung und Verstärkung der Stadtmauer und der Tore in Angriff.
Drei Tore und fünfzehn Mauertürme mußten vollständig neu errichtet werden. Zwei weitere neue Türme wurden an den gegenüberliegenden
Ufern des Tiber erbaut – dort, wo der Fluß am portischen Tor auf das Stadtgebiet gelangte. Zwischen diesen Türmen wurden schwere
Ketten aus gehärtetem Eisen über den Fluß gespannt, die mittels zweier Winden in die Höhe gezogen werden konnten, so daß sie
jedem Schiff die Weiterfahrt versperrten. Auf
diese Weise
zumindest würden die Sarazenen nicht noch einmal in die Stadt eindringen können.
Doch es blieb noch die schwierige Frage offen, wie man Sankt Peter schützen konnte; denn die Kirche lag ja außerhalb der Stadtmauern.
Um das Problem zu erörtern, berief Leo ein Treffen ein, an dem die hohen kirchlichen Würdenträger sowie die
optimates
teilnahmen, darunter Johanna und Gerold.
Verschiedene Vorschläge wurden unterbreitet – darunter die Errichtung einer ständigen Garnison der päpstlichen Garde, welche
die offene Säulenhalle des Domes umschließen |442| sollte, sowie die Befestigung der Türen und Fenster des Gotteshauses durch Eisenstangen.
Leo reagierte skeptisch auf diesen Vorschlag. »Derartige Maßnahmen würden nur dazu dienen, ein gewaltsames Eindringen zu verzögern
und nicht, es zu verhindern.«
»Mit allem Respekt, Heiligkeit«, sagte Anastasius, »aber die Verzögerung
ist
unsere beste Verteidigung. Wenn wir die Barbaren so lange zurückdrängen können, bis die kaiserlichen Truppen eintreffen …«
»Falls
sie eintreffen …«, unterbrach Gerold ihn trocken.
»Ihr müßt auf Gott vertrauen,
superista«,
wies Anastasius ihn zurecht.
»Das tue ich. Aber wenn es nach Eurem Vorschlag ginge, müßte ich auf Lothar vertrauen. Und das tue ich
nicht.«
»Verzeiht,
superista«,
sagte Anastasius mit übertriebener Höflichkeit, »daß ich Euch auf das Offensichtliche hinweisen muß, aber derzeit haben wir
keine
andere Möglichkeit, da Sankt Peter nun einmal außerhalb der Stadtmauer liegt, wie Ihr vielleicht schon bemerkt habt.«
Johanna sagte: »Aber wir könnten die Kirche ins Innere der Mauer bringen.«
Anastasius’ dunkle Brauen hoben sich spöttisch. »Was schlagt Ihr denn vor, Johannes? Das ganze Gebäude Stein um Stein in die
Stadt zu schaffen?«
»Nein«, erwiderte Johanna. »Ich schlage vor, die Stadtmauern um Sankt Peter herum zu erweitern.«
»Eine neue Mauer!« sagte Leo, dessen Interesse geweckt war.
»Das ist ganz unmöglich!« erregte sich Anastasius. »Ein so gewaltiges Projekt wurde seit den Tagen des römischen Imperiums
nicht mehr in Angriff genommen.«
»Dann wird es höchste Zeit, es wieder zu tun«, entgegnete Leo.
»Uns fehlen die Mittel!« protestierte der
arcarius
Gratius, der päpstliche Schatzmeister. »Wir könnten die gesamte Staatskasse leeren, und die Arbeit wäre nicht einmal zur Hälfte
getan!«
Leo ließ sich diesen Einwurf durch den Kopf gehen. »Wir werden neue Steuern
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