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Die Päpstin

Titel: Die Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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erst einmal Papst war, würde Anastasius den heiligen Dom von Sankt Peter dadurch schützen, indem er die Bindungen
     zwischen Rom und dem fränkischen Thron erneuerte und stärkte. Lothars Armeen würden sich als weitaus besserer |445| Schutz gegen die Horden der Ungläubigen erweisen als Leos verrückte Stadtmauer.
    Aber du mußt vorsichtig sein!
ermahnte sich Anastasius. Erst einmal war es am besten, sich nicht öffentlich gegen Leo zu stellen; jedenfalls solange nicht,
     wie die Leute noch die Ergebnisse der waghalsigen Unternehmung des Papstes abwarteten.
    Die klügste Strategie bestand darin, Leo öffentlich zu unterstützen, dabei aber zugleich alles zu tun, um das Bauvorhaben
     zu erschweren. Zu diesem Zweck hatte Anastasius bereits für den Einsturz des Mauerstücks gesorgt, bei dem mehrere Arbeiter
     den Tod gefunden hatten. Es war nicht weiter schwierig gewesen; einige seiner vertrauenswürdigsten Leute hatten sich in der
     Nacht hinausgeschlichen und durch heimliche Grabungen am Fuße der Mauer das Fundament unterhöhlt. Doch der Einsturz hatte
     sich nur als geringfügiger Rückschlag erwiesen. Es mußte mehr geschehen, schlimmeres – eine Katastrophe, deren Ausmaß groß
     genug war, daß diesem lächerlichen Projekt ein für allemal ein Ende bereitet wurde.
    Anastasius zermarterte sich das Hirn, als er nach einer Möglichkeit suchte, seinen Sabotageplan in die Tat umzusetzen. Doch
     immer wieder endeten seine Gedanken in einer Sackgasse, und er mußte eine aufkeimende Hoffnungslosigkeit niederkämpfen. Könnte
     er doch mit der Hand eines Riesen nach der Mauer packen, sie aus der Erde reißen und mit einem gewaltigen Wurf in die Flammen
     der Hölle schleudern!
    Die Flammen der Hölle …
    Anastasius setzte sich ruckartig auf, als eine plötzliche Idee ihn durchfuhr.
     
    Johanna erwachte nur langsam. Für einen Moment lag sie verwirrt da und starrte auf die ihr unbekannte Balkenkonstruktion an
     der Zimmerdecke. Dann fiel es ihr wieder ein: Sie befand sich nicht im Schlafsaal, sondern in ihren eigenen Gemächern – eins
     der Privilegien ihres hohen Amtes als
nomenclator.
Auch Gerold hatte man Privatzimmer im Patriarchum zur Verfügung gestellt, doch er hatte seit mehreren Wochen nicht mehr dort
     geschlafen; statt dessen nächtigte er in der Scola Francorum in Borgo, um schneller an der Stadtmauer sein zu können, an deren
     Fertigstellung noch immer gearbeitet wurde.
    |446| Johanna hatte ihn aus der Ferne beobachtet, wie er an der Baustelle vorbeiritt und die Arbeiter ermunterte oder sich über
     einen Tisch beugte, um mit den Baumeistern Pläne und Entwürfe zu besprechen. Johanna und Gerold hatten allenfalls Gelegenheit,
     einen flüchtigen Blick oder einen kurzen Gruß auszutauschen. Doch jedesmal, wenn Johanna ihn sah, schlug ihr Herz schneller.
Mein Frauenkörper,
dachte sie mit wehmütigem Lächeln,
ist wirklich ein Verräter.
    Es kostete sie ziemliche Mühe, ihre Aufmerksamkeit auf die Arbeit zu richten, die an diesem Tag anstand und auf die Pflichten,
     die sie erfüllen mußte.
    Das Licht der Morgendämmerung sickerte bereits durchs Fenster. Erschrocken wurde ihr plötzlich klar, daß sie verschlafen hatte.
     Wenn sie sich nicht beeilte, kam sie zu spät zu den Laudes, dem Morgengebet.
    Doch als sie sich aus dem Bett schwang, erkannte sie, daß nicht das Licht der Dämmerung in ihr Zimmer fiel. Das war gar nicht
     möglich, denn das Fenster lag nach Westen.
    Sie rannte durchs Zimmer, blickte hinaus in die Nacht. Hinter der dunklen Silhouette des palatinischen Hügels, an der gegenüberliegenden
     Seite der Stadt, züngelten lange Bänder aus rotem und orangefarbenem Licht in den mondlosen Himmel.
    Flammen. Und sie loderten in Borgo auf.
    Ohne stehenzubleiben, um in ihre Schuhe zu schlüpfen, die neben dem Bett standen, eilte Johanna barfuß über die Flure. »Feuer!«
     rief sie. »Feuer! Feuer!«
    In den Zimmern erklangen gedämpfte Stimmen und Geräusche, als die Bewohner sich aus den Betten schwangen. Dann wurden mehrere
     Türen aufgestoßen, und die Leute strömten aufgeregt auf die Flure. Auch Arighis kam herbeigeeilt und rieb sich den Schlaf
     aus den Augen.
    »Was hat das zu bedeuten?« fragte er streng.
    »Borgo steht in Flammen!«
    »Deo, iuva nos!«
Arighis bekreuzigte sich. »Ich werde Seine Heiligkeit wecken.« Er eilte zum päpstlichen Schlafgemach.
    Johanna stürmte die Treppe hinunter und durch die Tür ins Freie. Von hier aus war das Feuer nicht so gut zu sehen; denn

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