Die Päpstin
die
zahlreichen Kirchen und Kapellen, Klöster und die Wohnhäuser von Priestern, die das Patriarchum umgaben, versperrten die Sicht.
Dennoch konnte man erkennen, daß die |447| Flammen sich ausgebreitet hatten, denn inzwischen wurde der ganze Nachthimmel von grellem Licht erhellt.
Andere folgten Johanna hinaus auf den Säulengang. Sie ließen sich auf die Knie fallen, weinten und riefen mit lauten Stimmen
Gott und den heiligen Petrus an. Dann erschien Leo, barhäuptig und in einer schlichten Tunika; er hatte sich nicht die Zeit
genommen, seine Amtsroben anzulegen.
»Hol die Wache«, befahl er dem am nächsten stehenden Kammerdiener. »Und wecke die Stallburschen. Sie sollen jedes verfügbare
Pferd satteln und jeden Wagen bereitmachen.« Der Junge rannte davon, um den Befehlen nachzukommen.
Dann wurden die Pferde herbeigeführt; sie waren störrisch und gereizt, daß man sie mitten in der Nacht aus der Behaglichkeit
ihrer Ställe geholt hatte. Leo stieg auf das vorderste Pferd, einen Fuchshengst.
»Ihr wollt doch nicht etwa dorthin reiten, Heiligkeit?« stieß Arighis entsetzt hervor.
»O doch«, erwiderte Leo und nahm die Zügel auf.
»Aber … das geht doch nicht, Heiligkeit! Das ist zu gefährlich! Es wäre gewiß viel angebrachter, Ihr würdet hier bleiben und
eine Messe lesen, auf daß Borgo errettet wird.«
»Außerhalb der Wände einer Kirche kann ich genausogut beten wie innerhalb«, sagte Leo. »Geht zur Seite, Arighis.«
Widerwillig gehorchte der Haushofmeister. Leo trat dem Hengst die Hacken in die Weichen und galoppierte die Straße hinunter.
Johanna und mehrere Dutzend päpstlicher Wachen schwangen sich in die Sättel und folgten dichtauf.
Mit düsterer Miene blickte Arighis ihnen nach. Er war kein guter Reiter. Aber sein Platz war an der Seite des Papstes; falls
Leo an seinem närrischen Plan festhielt, war es Arighis’ Pflicht, ihn zu begleiten. Unbeholfen stieg er auf ein Pferd und
folgte den anderen.
Sie ritten im Galopp; gespenstisch warfen ihre Fackeln flackerndes Licht an die Wände der Häuser, und die Schatten der Reiter
schienen einander die dunklen Straßen hinunter zu jagen wie eine Horde wilder Geister. Als sie sich Borgo näherten, stieg
ihnen der stechende Geruch von Rauch in die Nasen, und sie hörten ein gewaltiges Brüllen, als würden tausend wilde Bestien
gleichzeitig heulen, jaulen und kläffen. Schließlich bogen sie um eine Ecke und sahen das Feuer unmittelbar vor sich.
|448| Es war ein Bild wie aus der Hölle. Das gesamte Viertel stand in Flammen; alles war in einen dichten Mantel aus Feuer gehüllt.
Durch den wabernden roten Nebel sahen sie, wie die Holzgebäude sich im glühenden Griff der Flammen wanden und drehten, bis
sie verzehrt wurden. Als scharfe schwarze Schattenrisse hoben sich die Gestalten von Menschen vor der Feuerwand ab; sie huschten
umher wie winzige schwarze Teufel, welche die Seelen der Verdammten peinigten.
Die Pferde wieherten, scheuten zurück und warfen die Köpfe in den Nacken. Mit wankenden Schritten kam ein Priester durch den
wabernden Rauch zu den Reitern hinübergerannt; sein schweißnasses Gesicht war rußverschmiert.
»Heiligkeit! Ihr seid gekommen! Gelobet sei Gott der Herr!« Dem Akzent und der Kleidung nach zu urteilen hielt Johanna den
Mann für einen Franken.
»Ist es so schlimm, wie es aussieht?« fragte Leo knapp.
»Genau so schlimm – und schlimmer«, erwiderte der Priester. »Das Hadrianium ist zerstört, und auch das Hospiz Sankt Peregrinus.
Die ausländischen Gemeinden gibt es ebenfalls nicht mehr – die Scola Saxorum und ihre Kirche sind völlig niedergebrannt. Auch
die Gebäude der Scola Francorum stehen in Flammen. Ich konnte nur mit knapper Not mein Leben retten.«
»Habt Ihr Markgraf Gerold gesehen?« fragte Johanna drängend.
»Den
superista?«
Der Priester schüttelte den Kopf. »Er hat in einem der oberen Stockwerke bei den Steinmetzen geschlafen; ich bezweifle, daß
einer von ihnen noch ins Freie gekommen ist. Das Feuer und der Rauch haben sich zu schnell ausgebreitet.«
»Was ist mit den Überlebenden?« wollte Leo wissen. »Wo sind sie?«
»Die meisten haben in Sankt Peter Zuflucht gesucht. Aber das Feuer ist überall. Wenn wir es nicht löschen können, besteht
die Gefahr, daß auch die Peterskirche ein Raub der Flammen wird!«
Leo streckte die Hand aus. »Kommt mit uns. Wir reiten sofort dorthin.« Der Priester schwang sich hinter Leo aufs Pferd, und
die
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