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Die Päpstin

Titel: Die Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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möglich zum Haus und zu Aeskulapius zurückkehren wollte, beeilte sie
     sich, ihre Arbeit zu erledigen. Doch der Boden des herbstlichen Waldes war von einer dicken Schicht abgefallener Blätter bedeckt,
     so daß das Schweinefutter schwer zu finden war. Aber Johanna konnte erst zurück, wenn sie den Weidenkorb gefüllt hatte.
    Als sie schließlich wieder zum Haus gerannt kam, rüstete Aeskulapius zur Weiterreise.
    »Oh, und ich hatte gehofft, Ihr erweist uns die Ehre und eßt mit uns zu Mittag«, sagte der Dorfpriester. »Eure Gedanken über
     das Geheimnis der Heiligen Dreifaltigkeit haben mich |48| sehr interessiert, und ich hätte gern noch länger mit Euch darüber gesprochen.«
    »Sehr freundlich von Euch, aber ich muß heute abend in Mainz sein. Der Bischof erwartet mich, und ich brenne darauf, meine
     neuen Pflichten an der
scola
zu übernehmen.«
    »Natürlich, natürlich«, sagte der Dorfpriester und fügte nach einer Pause hinzu: »Aber Ihr erinnert Euch gewiß an unser Gespräch
     über den Jungen. Würdet Ihr noch so lange bleiben, um bei seiner Lektion zuzuschauen?«
    »Es ist die kleinste Gefälligkeit, die ich einem so großzügigen Gastgeber erweisen kann«, erwiderte Aeskulapius mit einstudierter
     Höflichkeit.
    Johanna nahm ihr Strickzeug und setzte sich in einen Stuhl in nächster Nähe, wobei sie versuchte, einen so unscheinbaren Eindruck
     wie möglich zu machen, damit der Vater sie nicht fortschickte.
    Ihre Sorgen waren unbegründet. Die Aufmerksamkeit des Dorfpriesters war ausschließlich auf Johannes gerichtet. Er hoffte,
     Aeskulapius mit dem ›umfassenden Wissen‹ des Jungen zu beeindrucken, und er begann die Lektion, indem er Johannes über die
     Sprachlehre befragte, wobei er sich an der Grammatik des Donatus orientierte. Das war ein Fehler; denn die Sprachlehre war
     Johannes’ schwächstes Fach. Wie nicht anders zu erwarten, war seine Vorstellung kläglich: Er verwechselte den Ablativ mit
     dem Dativ, verpfuschte die Verben und erwies sich zum Schluß als vollkommen unfähig, auch nur einen Satz grammatisch richtig
     zu analysieren. Aeskulapius beobachtete das Ganze ernst, schweigend und mit gefurchter Stirn.
    Das Gesicht vor Verlegenheit gerötet, zog der Dorfpriester sich nun auf sicheres Gelände zurück. Er begann mit dem Rätselkatechismus
     des großen Alkuin, in dem Johannes gründlich gedrillt worden war. Im ersten Teil des Katechismus machte der Junge seine Sache
     auch ganz gut:
    »Was ist ein Jahr?«
    »Ein Karren mit vier Rädern.«
    »Welche Pferde ziehen ihn?«
    »Die Sonne und der Mond.«
    »Wie viele Paläste hat das Jahr?«
    »Zwölf.«
    Zufrieden über den bescheidenen Erfolg, wagte der Dorfpriester |49| sich zu schwierigeren Teilen des Katechismus vor. Johanna hatte Angst vor dem, was nun kam; denn sie sah, daß Johannes kurz
     davor stand, in Panik auszubrechen.
    »Was ist Leben?«
    »Die Freude der Gesegneten, das Leid der Traurigen, und … und …« Johannes verstummte.
    Aeskulapius rutschte unruhig auf dem Stuhl hin und her. Johanna schlug die Augen zu, konzentrierte sich auf die Worte und
     versuchte, Johannes durch die schiere Kraft ihres Willens dazu zu bringen, sie auszusprechen.
    »Ja?« hakte der Dorfpriester nach. »Und was noch?«
    Johannes’ Gesicht leuchtete auf, als es ihm einfiel. »Und die Suche nach dem Tod!«
    Der Dorfpriester nickte knapp. »Und was ist der Tod?«
    Es hatte keinen Sinn. Daß er bei der vorletzten Frage beinahe versagt hätte – und die wachsende Unzufriedenheit seines Vaters
     – machten Johannes’ letzte Hoffnungen zunichte und brachten ihn endgültig aus der Fassung. Er konnte sich an gar nichts mehr
     erinnern. Sein Gesicht verzog sich; Johanna sah, daß er jeden Augenblick in Tränen auszubrechen drohte. Sein Vater starrte
     ihn düster an, während Aeskulapius den Jungen mit mitleidigen Augen betrachtete.
    Johanna hielt es nicht mehr aus – die Qualen des Bruders, der Zorn des Vaters und die peinliche Demütigung Johannes’ vor den
     Augen Aeskulapius’ waren zuviel für sie. Bevor sie wußte, was sie tat, platzte sie heraus: »Der Tod ist ein unausweichliches
     Geschehnis, eine ungewisse Pilgerreise, die Tränen der Lebenden und der Dieb aller Menschen.«
    Ihre Worte trafen die beiden Männer und den Jungen wie ein Keulenschlag. Die drei hoben gleichzeitig den Blick; auf ihren
     Gesichtern spiegelte sich eine Skala unterschiedlichster Gefühle wider. Bei Johannes war es Verdruß; bei ihrem Vater Zorn
     und bei

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