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Die Päpstin

Titel: Die Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Aeskulapius Verwunderung. Der Dorfpriester fand als erster die Sprache wieder.
    »Wie kannst du es wagen!« fuhr er Johanna an; dann erinnerte er sich an Aeskulapius und fügte hinzu: »Wäre unser Gast nicht
     bei uns, würde ich dir eine ordentliche Tracht Prügel verpassen. So aber muß deine Bestrafung noch warten. Und jetzt gehe
     mir aus den Augen.«
    Johanna erhob sich aus dem Stuhl und kämpfte darum, die Fassung zu wahren, bis sie zur Tür des Grubenhauses hinaus |50| war und sie hinter sich zuzog. Dann lief sie los, so schnell sie konnte, und rannte den ganzen Weg bis zum Adlerfarn, der
     am Waldrand wuchs. Dort warf sie sich zu Boden.
    Sie hatte das Gefühl, vor Schmerz vergehen zu müssen. Wie schrecklich und ungerecht, vor den Augen des einzigen Menschen,
     den sie beeindrucken wollte, auf diese Weise herabgesetzt zu werden.
Das ist ungerecht! Johannes wußte die Antwort nicht, aber ich. Warum hätte ich da schweigen sollen?
    Lange Zeit saß sie da und beobachtete, wie die Schatten der Bäume länger wurden. Ein Rotkehlchen flatterte neben ihr zu Boden
     und begann auf der Suche nach Würmern zwischen den Blättern zu picken. Als es einen Wurm entdeckt hatte, streckte das Tierchen
     die Brust heraus und stolzierte in einem kleinen Kreis umher, die Beute im Schnabel.
Es ist genau wie ich
, dachte Johanna mit einem Anflug von Selbstironie.
Genauso aufgeplustert vor Stolz, daß es schon an Hochmut grenzt.
Und Johanna wußte, daß Hochmut eine Sünde war – sie war deswegen oft genug ausgeschimpft worden -; doch sie konnte nichts
     dagegen tun, daß sie sich im Recht fühlte.
Ich bin klüger als Johannes. Warum soll er dann studieren und lernen dürfen, ich aber nicht?
    Das Rotkehlchen flog davon. Johanna beobachtete, wie es zu einem winzigen flatternden Punkt aus Farbe zwischen den Bäumen
     wurde. Sie betastete das hölzerne Medaillon mit dem Bildnis der heiligen Katharina, das sie um den Hals trug, und dachte an
     Matthias. Er hätte jetzt bei ihr gesessen, hätte mit ihr geredet und ihr alles erklärt, so daß sie hätte verstehen können.
     Sie vermißte ihn so sehr.
    Du hast ihn ermordet
, hatte Vater gesagt. Ein vertrautes Gefühl der Übelkeit stieg in Johannas Innerm auf, als sie daran dachte. Dennoch rebellierte
     ihr Geist dagegen. Sie
war
hochmütig. Sie wollte mehr als das, was Gott für eine Frau vorgesehen hatte. Aber warum sollte Gott Matthias für
ihre
Sünden bestrafen? Das ergab keinen Sinn.
    Was war in ihrem Innern, daß sie ihre sinnlosen Träume nicht aufgab – Träume, die sich niemals verwirklichen ließen? Jeder
     sagte ihr, daß ihr Wunsch zu lernen unnatürlich sei. Dennoch dürstete es Johanna nach Wissen, und sie sehnte sich danach,
     die riesige Welt der Gedanken und Ideen zu erforschen, die gelehrten Menschen zugänglich war. Die anderen Mädchen im Dorf
     interessierten sich nicht für solche Dinge. Sie waren es zufrieden, die Zeit durchzuhalten, die eine heilige Messe dauerte, |51| ohne daß sie ein einziges Wort verstanden. Sie akzeptierten, was ihnen gesagt wurde, und schauten nicht nach vorn. Sie träumten
     von einem guten Ehemann – womit sie einen Mann meinten, der sie freundlich behandelte und sie nicht prügelte– und einem kleinen
     Stück Ackerland; sie spürten kein inneres Verlangen, das sie über die sichere und vertraute Welt des Dorfes hinausführte.
     Sie waren für Johanna so unerklärlich, wie Johanna es für sie war.
    Warum bin ich anders?
fragte sie sich.
Was stimmt nicht mit mir?
    Hinter ihr erklangen Fußschritte, und eine Hand berührte sie an der Schulter. Es war Johannes.
    Eingeschnappt sagte er: »Vater hat mich geschickt. Er möchte mit dir reden.«
    Johanna nahm die Hand des Bruders. »Es tut mir leid, was vorhin geschehen ist.«
    »Du hättest den Mund halten müssen. Du bist nur ein Mädchen.«
    Angesichts seiner schroffen Worte fiel es ihr nicht leicht, doch sie mußte sich bei Johannes entschuldigen, weil sie ihn vor
     ihrem Gast blamiert hatte.
    »Ja, es war falsch. Verzeih mir.«
    Johannes versuchte, die Fassade verletzten Stolzes aufrechtzuerhalten, schaffte es aber nicht. »Also gut, ich verzeihe dir«,
     gab er nach. »Immerhin ist Vater jetzt nicht mehr auf
mich
wütend. Tja – komm, und sieh selbst.«
    Er zog sie vom klammen Erdboden hoch und half ihr, die Blätter und die feuchten Stücke Adlerfarn von ihrer Kleidung abzuklopfen.
     Dann gingen sie Hand in Hand zur Hütte zurück.
    An der Tür schob Johannes die Schwester vor sich

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