Die Päpstin
erteilt hat? Schwörst du es vor Gott?«
»Ja, Heiliger Vater. Es sollte nur ein kleines Feuer sein«, antwortete Dominik mit erstickter Stimme, »gerade groß genug,
um das Baugerüst an der Mauer zu verbrennen. Bei Gott, es war ganz einfach – ich habe ein paar Lappen mit Lampenöl getränkt,
sie unter eine Ecke des Baugerüsts geklemmt und angezündet. Eine Zeitlang brannte wirklich nur das Gerüst, genau so, wie mein
Herr, der Kardinal, es vorhergesagt hatte. Aber dann kam der Wind auf und hat die Flammen angefacht, und dann … dann …« Er
ließ sich schwer auf die Knie fallen. »Oh, Gott!« rief er voller abgrundtiefer Verzweiflung. »Das unschuldige Blut! Ich würde
es nie wieder tun, und würden tausend Kardinäle mir den Befehl dazu erteilen!«
Der Junge warf sich Leo zu Füßen. »Helft mir, Heiliger Vater! Helft mir«, rief er und hob ihm sein gequältes Gesicht entgegen.
»Ich kann nicht leben mit dem, was ich getan habe! Legt mir eine Buße auf! Bestraft mich! Ich werde jeden Tod erleiden, wie
schrecklich er auch sein mag; denn meine Seele wäre wieder rein!«
Starr vor Entsetzen und Mitleid, betrachtete Johanna den Jungen. Der Liste von Anastasius’ Verbrechen mußte nun die Anstiftung
zu dieser schrecklichen Tat hinzugefügt werden – wie auch die Verführung dieses Jungen, das Umkehren seines guten Charakters
zum Schlechten. Mit seinem aufrichtigen, schlichten Geist hätte Dominik ein so abscheuliches Verbrechen nie und nimmer von
selbst begangen, noch hätte sein Gewissen die Last einer solchen Schuld tragen können.
Leo legte dem Jungen die Hand auf den Kopf. »Es hat schon Tod genug gegeben. Welchen Nutzen hätte es für die Welt, wenn der
deine auch noch hinzukäme? Nein, Dominik, die Buße, die ich dir auferlege, ist nicht der Tod, sondern das Leben – ein Leben
in Sühne und Reue. Von heute an bist du aus Rom verbannt. Du wirst die Pilgerstraße nach Jerusalem gehen, und dort wirst du
vor dem Heiligen Grab um die Vergebung Gottes beten.«
Der Junge hob verwundert den Blick. »Und das ist alles?«
»Die Straße der Buße ist niemals leicht zu beschreiten, mein Sohn. Du wirst erkennen, wie beschwerlich deine Reise ist.«
|460| Das stimmt, ging es Johanna durch den Kopf, die an ihre eigene Pilgerreise aus dem Frankenland nach Rom denken mußte. Der
Weg war viel härter, als der junge Dominik es sich vorstellen konnte. Er mußte sich von der Familie und den Freunden trennen,
von allem, das er gekannt hatte, und den Rest seiner Tage fern der Heimat verbringen, in einem fremden, unbekannten Land.
Und auf dem Weg nach Jerusalem würde er vielen Gefahren trotzen müssen – steilen Bergen und tückischen Schluchten; Straßen,
die mit Räubern und Dieben verseucht waren; Hunger und Durst und tausend anderen Gefahren.
»Verbringe dein Leben in selbstlosem Dienst für deinen Nächsten«, fuhr Leo fort. »Verhalte dich in allen Dingen so, daß eines
Tages das Gewicht deiner vielen guten Taten größer sein wird als die Last dieser einen schweren Sünde.«
Dominik warf sich zu Boden und küßte den Saum von Leos Umhang. Dann erhob er sich, blaß, aber entschlossen. Sein Gesicht war
von den seelischen Todesqualen gereinigt, als hätte ein heftiger Regen sie fortgespült. »Ich werde Euch mit Freuden gehorchen,
Heiliger Vater. Ich werde alles genau so tun, wie Ihr es befohlen habt. Ich schwöre es beim heiligen Körper und dem Blute
Christi, unseres Heilands.«
Leo segnete den Jungen mit dem Kreuzzeichen. »Gehe in Frieden, mein Sohn.«
Dominik und der Priester verließen das Zimmer.
Leo sagte ernst: »Kardinal Anastasius stammt aus einer mächtigen Familie. Alles, was wir tun, muß in strenger Übereinstimmung
mit Recht und Gesetz geschehen. Ich werde ein Schreiben abfassen, auf dem ich die Anklagen gegen Anastasius genau ausführe.
Komm mit mir, Johannes; vielleicht brauche ich deine Hilfe. Und Ihr, Waldipert …«
»Ja, Heiligkeit?«
Leo nickte ihm beifällig zu. »Gut gemacht.«
»Es war klug von Euch, mir diese Neuigkeit zu bringen,
vicedominus«,
sagte Arsenius. Er befand sich in einem abgeschiedenen Zimmer seines Palasts zusammen mit Waldipert, der soeben seinen Bericht
über die Einzelheiten des Gesprächs zwischen Papst Leo und dem Jungen Dominik beendet hatte. »Gestattet mir, meine Dankbarkeit
für Eure Hilfe zum Ausdruck zu bringen.«
|461| Arsenius schloß eine kleine Bronzeschatulle auf, die auf seinem Schreibpult stand,
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