Die Päpstin
Leo zu.
Arighis sprang schützend vor den Papst und stieß ihn zur Seite. Einen Augenblick später traf das brennende Altartuch Arighis
im Gesicht, versengte ihm die Augen und wickelte sich wie eine flammende Kutte um seinen Kopf und seinen Körper. Binnen Sekunden
standen sein Haar und seine Kleidung in Flammen.
|453| Blind und taub vor Schmerz, rannte er in großen Sprüngen die Treppe vor der Kathedrale hinunter, bis die Beine unter ihm nachgaben,
so daß er zu Boden stürzte. In den letzten schrecklichen Augenblicken, als sein toter Körper brannte, während sein Hirn noch
lebte und arbeitete, erkannte Arighis mit plötzlicher Klarheit, daß dies seine Bestimmung war; dies war der Augenblick des
Opfers, auf den sein ganzes Leben gezielt hatte.
»Jesus Christus!« schrie er, als unsäglicher Schmerz ihm das Herz zerriß.
Die Rauchwolke lichtete sich ein wenig, so daß Gerold die offene Tür vor sich sah. Dahinter stand Johannas Gestalt, wabernd
in der hitzeflirrenden Luft; ihr weißgoldenes Haar erstrahlte im Licht der Flammen wie ein Heiligenschein. Mit letzter Kraft
richtete Gerold sich auf, schleppte sich und die beiden Kinder in Richtung der Tür und taumelte hustend hindurch.
Johanna sah ihn aus Rauch und Dunst auftauchen und rannte zu ihm. Sie nahm ihm die schluchzenden Kinder aus den Armen und
drückte sie fest an sich, während ihr Blick auf Gerold haftenblieb, der schwankend dastand, zu Tode erschöpft, und kein Wort
hervorbrachte.
»Gott sei Dank«, sagte Johanna schlicht.
Doch die Botschaft in ihren Augen sagte unendlich viel mehr.
Sie ließen die Kinder in der Obhut einer Gruppe von Nonnen zurück und eilten zur Kathedrale, wo Gerold mit einem Blick erkannte,
daß die kleine Armee, die sich gegen das Feuer wehrte, an den falschen Stellen postiert war. Sie bekämpften die Flammen aus
zu geringer Entfernung und mußten angesichts ihres gnadenlosen Vormarsches immer weiter zurückweichen.
Gerold übernahm das Kommando und befahl den Männern, auf sicheren Abstand zurückzuweichen und eine Feuerschneise zu legen,
indem sie die Sträucher aus dem Boden und die Äste von den Bäumen rissen und alles Brennbare fortschafften. Zum Schluß gruben
sie die Grasnarbe um und wässerten den so entstandenen kahlen Streifen Boden.
Als Johanna den Funkenregen sah, der auf die Peterskirche |454| niederging, riß sie einem vorübereilenden Mönch den Eimer Wasser aus der Hand und kletterte aufs Kirchendach. Andere folgten
ihr: erst zwei, dann vier, dann zehn. Die Menschen bildeten eine Kette und reichten gefüllte Wassereimer von einem zum anderen;
nachdem die Eimer ausgegossen waren, wanderten sie von Hand zu Hand wieder in Gegenrichtung zurück zu den Brunnen und Zisternen.
Weiterreichen, leeren, zurückreichen, füllen, weiterreichen – in stetem Rhythmus arbeiteten die Leute Seite an Seite; bald
schmerzten ihnen die Arme vor Anstrengung; die Gesichter und die Kleidung waren rußverschmiert, und offene Münder rangen in
der rauchgeschwängerten Luft nach Atem.
Unter ihnen, am Fuße des Hügels, kroch das Feuer zwar langsamer heran, doch die Gefahr war noch nicht gebannt. Gerold und
seine Helfer arbeiteten mit verzweifelter Eile daran, die Feuerschneise zu verbreitern.
Auf den Stufen der Kathedrale schlug Leo das Kreuzzeichen; sein Gesicht war flehend zum Himmel gewandt. »Allmächtiger Gott«,
betete er, »erhöre unsere Bitten und hilf uns in der Not.«
Dann erreichte der näher rückende Brand die Feuerschneise. Die Flammen schienen anzuschwellen, so, als würden sie Kraft sammeln,
um über den kahlen Streifen Boden hinwegzuspringen. Gerold und seine Leute griffen das Feuer mit weiteren Kübeln und Eimern
voller Wasser an. Die Flammen schienen zu zögern; dann zogen sie sich zischend und mit wütendem Prasseln zurück und begannen,
sich selbst zu verzehren.
Die Kirche war gerettet.
Johanna spürte Tränen der Freude auf ihrem erhitzten Gesicht.
In den ersten Tagen nach dem Brand waren die Leute damit beschäftigt, die Toten zu bergen – jene, deren Leichen noch aufzufinden
waren. Die gewaltige Hitze des Feuers hatte viele seiner Opfer zu Asche und verstreuten Knochen verbrannt.
Arighis wurde mit feierlicher Zeremonie beigesetzt, wie es seinem hohen Rang entsprach. Nach der Totenmesse im Lateran wurden
seine sterblichen Überreste in der Krypta einer kleinen Kapelle bestattet, in der Nähe der Gräber der beiden Päpste Gregor
und
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