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Die Päpstin

Titel: Die Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Abstammung
     erkennen ließen. Johanna |457| kam es seltsam vor, diesen Fremden in Arighis’ Amtskleidung zu sehen.
    »Heiligkeit«, sagte Waldipert mit respektvoller Ehrerbietung, »draußen sind zwei Bürger, die dringend um eine sofortige Audienz
     ersuchen.«
    »Sie müssen sich noch gedulden«, erwiderte Leo. »Sie können mir ihr Anliegen später vorbringen.«
    »Verzeiht, Heiligkeit.« Waldipert blieb hartnäckig. »Aber ich glaube, Ihr solltet Euch sofort anhören, was sie zu sagen haben.«
    Leo hob eine Augenbraue. Hätte Arighis diese Bemerkung gemacht, wäre Leo seiner Aufforderung ungefragt nachgekommen; denn
     auf Arighis’ scharfes Urteilsvermögen hatte man sich stets verlassen können. Doch Waldipert war neu im Amt und unerfahren;
     er wußte noch nicht, wo die Grenzen seiner Befugnisse lagen, so daß es durchaus sein konnte, daß er seine Bedeutung viel zu
     hoch einschätzte.
    Leo zögerte; dann beschloß er, zugunsten des unerfahrenen Waldipert zu urteilen. »Also gut. Führt sie herein.«
    Waldipert verbeugte sich und ging. Augenblicke später kam er in Begleitung eines Priesters und eines Jungen ins Zimmer zurück.
     Der Geistliche war untersetzt und hatte eine dunkle Haut. Johanna schätzte ihn sofort als unerschütterlichen, aufrechten Anhänger
     des Glaubens ein; als einen jener vielen Priester, die in ärmlicher Verborgenheit und unter schwierigsten Verhältnissen in
     den weniger bedeutenden Kirchen Roms ihrem geistlichen Amt nachgingen. Der Junge war seiner Kleidung nach Altardiener oder
     Meßgehilfe. Er war ein hübscher junger Bursche, vielleicht fünfzehn oder sechzehn Jahre, kräftig und gut gebaut, mit großen,
     schönen Augen, die den Eindruck erweckten, als würden sie für gewöhnlich voller Zuversicht und Frohsinn in die Welt blicken.
     Jetzt aber waren sie von Trauer und Verzweiflung umwölkt.
    Demütig legten die Ankömmlinge sich vor dem Papst zu Boden.
    »Erhebt euch«, forderte Leo sie auf. »Sagt uns, in welcher Angelegenheit ihr gekommen seid.«
    Der Priester meldete sich als erster zu Wort. »Ich bin Paul, Heiligkeit, von Gottes und Euer Gnaden Priester an der Kirche
     Sankt Lorenzo in Damaso. Dieser Junge hier, Dominik, kam gestern zu mir in die Kapelle und hat mich gebeten, ihm die |458| Ohrenbeichte abzunehmen, was ich ihm natürlich gewährt habe. Was er mir erzählt hat, war so entsetzlich, daß ich ihn hierhergebracht
     habe, auf daß er es Euch selbst sagt.«
    Leo runzelte die Stirn. »Du weißt, mein Sohn, daß das Beichtgeheimnis nicht verletzt werden darf.«
    »Der Junge ist aus freien Stücken gekommen, Heiligkeit. Er leidet unter schrecklichen seelischen und spirituellen Qualen.«
    Leo wandte sich an Dominik. »Stimmt das? Sag die Wahrheit; es ist keine Schande, wenn du für dich behalten willst, was du
     gebeichtet hast.«
    »Ich möchte es Euch aber sagen, Heiliger Vater«, erwiderte der Junge mit zittriger Stimme. »Ich
muß
es Euch sagen, um meiner Seele willen!«
    »Dann sprich, mein Sohn.«
    Dominiks Augen schwammen in Tränen. »Ich habe es nicht gewußt, Heiliger Vater!« stieß er hervor. »Ich schwöre bei den Reliquien
     aller Heiligen, daß ich nicht wußte, was geschehen würde. Sonst hätte ich es nie und nimmer getan!«
    »Was getan, mein Sohn?« fragte Leo sanft.
    »Das Feuer gelegt«, erwiderte der Junge, und sein ganzer Körper wurde von wilden Schluchzern geschüttelt.
    Für längere Zeit herrschte fassungslose Stille; nur Dominiks Weinen war zu vernehmen.
    »Du
hast das Feuer gelegt?« fragte Leo dann leise.
    »Ja! Möge Gott mir vergeben!«
    »Was hat dich zu dieser Tat getrieben?«
    Der Junge kämpfte die Tränen nieder und riß sich zusammen. »Er hat mir gesagt, der Bau der Stadtmauer wäre ein großes Übel
     … wegen des vielen Geldes, der Zeit und der Arbeitskraft, die darauf verwendet werden. Er sagte, wir sollten diese Mittel
     lieber dazu benutzen, die Kirchen instand zu setzen und die Not der Armen zu lindern.«
    »Er?« fragte Leo. »Hat jemand dir die Anweisung erteilt, das Feuer zu legen?«
    Der Junge nickte.
    »Wer?«
    »Kardinal Anastasius, an dessen Kirche ich Altargehilfe bin. Er muß mit der Zunge des Teufels geredet haben, Heiliger Vater,
     denn er hat so überzeugend gesprochen, daß es mir gut und richtig erschien, was er gesagt hat.«
    |459| Nach einer weiteren langen Pause des Schweigens sagte Leo: »Beantworte mir die nächste Frage ehrlich, mein Sohn. Bist du ganz
     sicher, daß Anastasius dir diesen Befehl

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