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Die Päpstin

Titel: Die Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Denn der heilige Paulus selbst hat es als unumstößliche
     Wahrheit befunden, daß Frauen dem Manne unterlegen sind, was den körperlichen Entwurf, die Rangfolge und die Willenskraft
     anbelangt.«
    »Was den körperlichen Entwurf, die Rangfolge und die Willenskraft anbelangt?« wiederholte Johanna.
    »Jaaa.« Odo sprach langsam und betont, als würde er zu einem geistig zurückgebliebenen Kind reden. »Was den körperlichen Entwurf
     angeht, weil Gott den Adam zuerst schuf und die Eva später; was die Rangfolge betrifft, weil die Eva erschaffen wurde, um
     dem Adam als Gesellin und Gespielin zu dienen, und was die Willenskraft anbelangt, weil die Eva der Verführung durch den Teufel
     nicht widerstehen konnte und von dem Apfel aß.«
    Die an den Tischen Versammelten nickten zustimmend. Auf dem Gesicht des Bischofs lag ein ernster Ausdruck. Dem rothaarigen
     Ritter, der neben ihm saß, waren seine Gedanken nicht anzusehen.
    Odo grinste hämisch. Johanna verspürte ein Gefühl tiefer Abneigung gegenüber diesem fuchsgesichtigen Mann. Für einen Augenblick
     stand sie schweigend da und zupfte sich an der Nase.
    »Wie kann«, sagte sie schließlich, »die Frau dem Mann im körperlichen Entwurf unterlegen sein? Denn weil Gott sie als zweite
     schuf, hat er sie aus Adams Rippe gemacht, wohingegen Adam aus feuchtem Lehm geknetet wurde.«
    |117| An einigen Tischen im hinteren Teil der Halle erklang beifälliges Kichern.
    »Und was die Rangfolge angeht«, die Worte sprudelten aus Johanna hervor, während ihr der Kopf vor Gedanken schwirrte, als
     sie die logische Kette ihrer Argumentation zusammenfügte, »sollte die Frau dem Mann vorgezogen werden, weil Eva innerhalb
     des Paradieses erschaffen wurde, Adam aber außerhalb.«
    Erneut wurden Gemurmel und Gekicher unter den Zuhörern laut. Das Grinsen auf Odos Gesicht verrutschte leicht.
    Johanna fand ihre Argumentationskette zu interessant, als daß sie groß darüber nachgedacht hätte, ob es besser gewesen wäre,
     den Mund zu halten. »Und was die Willenskraft betrifft, sollte die Frau als dem Mann
überlegen
betrachtet werden« – das war ein starkes Stück; aber nun gab es kein Zurück mehr –, »denn Eva aß aus Liebe zum Wissen und
     zum Lernen von dem Apfel, während Adam nur davon aß, weil Eva ihn gefragt hat, ob er ein Stück haben will.«
    Schockiertes Schweigen im Saal. Odos blasse Lippen waren vor Zorn fest zusammengepreßt. Der Bischof starrte Johanna an, als
     könne er nicht glauben, was er da gerade gehört hatte.
    Sie war zu weit gegangen.
    Manche Gedanken sind gefährlich.
    Aeskulapius hatte Johanna gewarnt, doch sie hatte sich so sehr in das Streitgespräch verwickeln lassen, daß sie den Rat ihres
     Lehrers vergessen hatte. Aber dieser Mann, dieser Odo, war so sehr von sich selbst eingenommen – und so versessen darauf,
     sie, das kleine Mädchen, vor dem Bischof zu demütigen –, daß sie nicht hatte an sich halten können. Johanna wußte, daß sie
     nun ihre Chance vertan hatte, auf die Domschule aufgenommen zu werden, doch sie war fest entschlossen, diesem widerlichen
     kleinen Mann nicht die Genugtuung zu verschaffen, ihren Schmerz und Kummer genießen zu können. Mit emporgerecktem Kinn stand
     Johanna vor dem hohen Tisch, und in ihren Augen funkelte Trotz.
    Die Stille im Saal dehnte sich schier endlos. Aller Augen waren auf den Bischof gerichtet, dessen abschätzender Blick noch
     immer auf Johanna ruhte. Dann kam – langsam, sehr langsam – ein tiefer, rollender Laut über seine Lippen, und sein Schmerbauch
     hüpfte auf und ab.
    |118| Der Bischof lachte.
    Die dralle Frau neben ihm kicherte nervös. Dann explodierte der Saal in einem Ausbruch von Geräuschen. Die Leute grölten und
     jubelten, hämmerten auf die Tischplatten und lachten; sie lachten so heftig, daß ihnen die Tränen über die Wangen strömten,
     so daß sie sie mit den Ärmeln abwischten. Johanna schaute auf den rothaarigen Ritter. Er grinste breit. Ihre Blicke trafen
     sich, und er zwinkerte Johanna zu.
    »Nun, mein lieber Odo«, sagte der Bischof, als er wieder zu Atem gekommen war, »jetzt werdet Ihr’s wohl zugeben müssen. Das
     Mädchen hat Euch überlistet!«
    Odo bedachte den Bischof mit einem giftigen Blick. »Was ist mit dem Jungen, Eminenz? Möchtet Ihr, daß ich auch ihn auf die
     Probe stelle?«
    »Nein, nein. Wir nehmen ihn ebenfalls, weil das Mädchen so sehr an ihm hängt. Wir nehmen sie beide! Ich muß gestehen, daß
     die Erziehung des Mädchens offenbar

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