Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Päpstin

Titel: Die Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
bekommst ein eigenes Schwert«, sagte Gerold. »Und einen Bogen. Auch eine Lanze, falls du kräftig genug dafür bist. Erzähl
     es ihm, Roger.«
    »Ja. Wir bekommen jeden Tag Unterricht in Waffenkunde und machen Kampfübungen.«
    In Johannes’ Augen spiegelten sich Erstaunen und Freude.
    »Siehst du die kleine Kerbe? Hier, an der Seite der Klinge? Da hab’ ich einen Schlag gegen das schwere Schwert des Waffenmeisters
     persönlich geführt!«
    »Wirklich?« Johannes war fasziniert.
    Gerold fragte Johanna: »Sollen wir gehen? Ich glaube, deinem Bruder wird es jetzt nichts mehr ausmachen, wenn wir ihn allein
     lassen.«
    Am Türeingang blieb Johanna stehen und blickte zu Johannes zurück. Das Schwert quer auf dem Schoß, redete er lebhaft auf Roger
     ein. Johanna verspürte einen seltsamen Widerwillen, sich vom Bruder zu trennen. Sie mußte daran denken, daß sie beide häufiger
     Gegner als Freunde gewesen waren, doch der Bruder war Johannas einziges Bindeglied an zu |121| Hause – an eine Welt, die ihr vertraut war und die sie begreifen konnte. Ohne ihn war sie ganz allein.
    Gerold war vorausgegangen und schritt den Flur hinunter. Er war ein sehr großer Mann, und seine langen Beine trugen ihn rasch
     davon. Johanna mußte kleine Laufschritte machen, um zu Gerold aufzuschließen.
    Mehrere Minuten sprachen sie kein Wort. Dann, plötzlich, sagte Gerold: »Du hast deine Sache sehr gut gemacht. Beim Streitgespräch
     mit Odo, meine ich.«
    »Ich glaube, er kann mich nicht leiden.«
    »Das glaube ich allerdings auch. Odo wacht aufmerksam über seine Würde – so, wie ein Mann über seine Münzen wacht, wenn kaum
     noch welche übrig sind.«
    Johanna blickte zu Gerold auf und lächelte ihn an. Sie mochte diesen Mann.
    Sie folgte einer spontanen Regung und beschloß, sich ihm anzuvertrauen.
    »Die Frau, die neben dem Bischof saß – war sie sein … Eheweib?« Johanna brachte dieses Wort nur stockend hervor, so peinlich
     war ihr diese Frage. Fast ihr ganzes Leben lang war sie sich der schmachvollen Unschicklichkeit der Ehe ihrer Eltern bewußt
     gewesen, wenngleich auf kindliche Weise: Ohne über diese Sache reden zu können oder gar imstande zu sein, sie in vollem Umfang
     zu begreifen, hatte Johanna sie bis in ihr Innerstes empfunden. Einmal hatte Aeskulapius ihr Unbehagen gespürt, was diese
     Sache betraf, und er hatte ihr gesagt, daß derartige Ehen bei der niederen Priesterschaft nichts Ungewöhnliches seien.
    Aber bei einem Bischof …
    »Eheweib? Ach, du meinst Theda.« Gerold lachte. »Nein, mein Herr Bischof gehört nicht zu den Männern, die heiraten. Theda
     ist eine seiner Geliebten.«
    Geliebte! Der Bischof hatte Geliebte!
    »Du bist schockiert? Das brauchst du nicht zu sein. Fulgentius – mein Herr Bischof – ist kein Mann der frommen Gesinnung.
     Er hat Amt und Würden von seinem Onkel geerbt, seinem Vorgänger auf dem Bischofsstuhl. Fulgentius hat nie die Priesterweihe
     empfangen, und er versucht auch gar nicht erst, sich den Anschein von Tugendhaftigkeit zu geben, wie du gewiß bemerkt hast.
     Aber du wirst schon noch erkennen, daß er ein tüchtiger Mann in seinem Amt ist und ein guter Mann |122| dazu. Er bewundert die Gelehrsamkeit, wenngleich er selbst kein Gelehrter ist. Aber es war Fulgentius, der die hiesige Domschule
     gegründet hat.«
    Gerold hatte nüchtern und sachlich zu Johanna gesprochen – nicht wie ein Erwachsener zu einem Kind, sondern wie zu jemandem,
     von dem man weiß, daß er versteht. Das gefiel Johanna. Doch was Gerold gesagt hatte, war beängstigend. War es mit dem Bischofsamt
     vereinbar, ein solches Leben zu führen? Immerhin war ein Bischof ein Fürst der Kirche. Durfte ein Bischof Geliebte haben?
     Alles war so anders, als Johanna erwartet hatte.
    Sie gelangten an das äußere Tor des Bischofspalasts. Pagen, in Gewänder aus roter Seide gekleidet, ließen die gewaltigen Flügel
     aus Eiche aufschwingen, und das flackernde Licht aus dem fackelerhellten Gang fiel nach draußen in die Dunkelheit.
    »Komm«, sagte Gerold. »Du wirst dich besser fühlen, wenn du eine Nacht geschlafen hast.« Rasch ging er zu den Stallungen.
    Unsicher folgte Johanna ihm hinaus in die kalte Nacht.
     
    »Da ist es!« Gerold wies zur linken Seite hinüber, und Johanna folgte mit dem Blick der Richtung seines ausgestreckten Armes.
     In der Ferne konnte sie die dunklen Umrisse mehrerer Gebäude erkennen, die sich vor einem Himmel abzeichneten, der vom Mondlicht
     erhellt wurde. »Dort ist

Weitere Kostenlose Bücher