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Die Päpstin

Titel: Die Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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ein bißchen …«, er suchte nach dem passenden Begriff, »… unorthodox gewesen ist. Aber
     sie ist höchst belebend. Genau das, was die
scola
braucht! Tja, Odo, Ihr habt soeben zwei neue Schüler bekommen. Gebt gut auf sie acht!«
    Entsetzt starrte Johanna den Bischof an. Was hatte er damit gemeint? Konnte es sein, daß dieser scheußliche kleine Kerl ihr
     Lehrer an der Domschule war? Der Mann, der sie unterrichten würde?
    Was hatte sie nur verbrochen!
    Odo spähte seine schmale Nase entlang auf den Bischof. »Ihr habt gewiß schon Vorkehrungen getroffen, Eminenz, was die Unterbringung
     dieses Kindes angeht, oder irre ich mich? In den Unterkünften der Jungen kann sie ja nicht wohnen.«
    »Äh … die Unterbringung.« Der Bischof zögerte. »Wartet einmal. Ich …«
    »Das Mädchen kann bei mir wohnen, Eminenz«, wurde er von dem rothaarigen Ritter unterbrochen. »Meine Gemahlin und ich haben
     zwei Töchter, die das Mädchen mit Freuden aufnehmen würden. Sie wäre eine gute Gefährtin für meine Gisla.«
    Johanna betrachtete den Ritter. Er war ein Mann in der Blüte seines Lebens, vielleicht fünfundzwanzig Jahre alt, kräftig gebaut,
     stattlich und ansehnlich, mit hohen Wangenknochen und einem gepflegten Vollbart. Sein dichtes Haar, das in der |119| Tat einen ungewöhnlichen roten Farbton besaß, war in der Mitte gescheitelt und fiel ihm in dichten Locken bis auf die Schultern.
     Seine unglaublich blauen Augen blickten klug und gütig.
    »Ausgezeichnet, Gerold.« Der Bischof klopfte ihm freundschaftlich auf den Rücken. »Damit wäre dann alles geregelt. Das Mädchen
     wird bei Euch wohnen.«
    Ein Diener kam mit einem Servierbrett voller Süßigkeiten herbei. Beim Anblick der kandierten Leckerbissen, die von geschmolzener
     Butter trieften, wurden Johannas Augen groß.
    Der Bischof lächelte. »Nach eurer langen Reise seid ihr bestimmt hungrig, Kinder. Kommt her zu mir, und setzt euch.« Er rückte
     näher zu der drallen Frau neben ihm und schuf auf diese Weise Platz zwischen sich und dem rothaarigen Ritter.
    Johanna und Johannes umrundeten den Tisch und setzten sich. Der Bischof höchstpersönlich trug ihnen Süßigkeiten auf. Johannes
     schlang sie gierig herunter; er nahm große Bissen vom klebrigen Zuckerkuchen, so daß der Puderzucker einen weißen Schnäuzer
     über seiner Oberlippe bildete.
    Dann wandte der Bischof seine Aufmerksamkeit der drallen Frau neben ihm zu. Sie tranken aus demselben Becher und lachten und
     kicherten. Der Bischof streichelte ihr übers Haar und brachte ihre kunstvolle Frisur in Unordnung. Johanna knabberte an einem
     Honigkuchen, schaffte ihn aber nicht, zumal er übelkeiterregend süß war. Sie sehnte sich fort von diesem Ort, von dem Lärm,
     den unbekannten Menschen und dem seltsamen Benehmen des Bischofs.
    Der rothaarige Ritter namens Gerold wandte sich an Johanna. »Du hast einen langen Tag hinter dir. Möchtest du gehen?«
    Johanna nickte. Als Johannes sah, daß die beiden sich erhoben, nahm er rasch einen letzten großen Bissen Kuchen und stand
     ebenfalls auf.
    »Nein, Sohn.« Gerold legte Johannes die Hand auf die Schulter. »Du bleibst hier.«
    »Ich möchte aber mit meiner Schwester gehen«, sagte Johannes wehleidig.
    »Dein Platz ist hier bei den anderen Jungen. Wenn die Mahlzeit beendet ist, wird der Kämmerer dir dein Quartier zeigen.«
    |120| Johannes erbleichte, beherrschte sich aber und erwiderte nichts.
    »Das ist ein interessantes Stück.« Gerold zeigte auf das Messer mit dem Hirschhorngriff, das Johannes um die Hüfte geschnallt
     trug. »Darf ich es mal sehen?«
    Der Junge zog das Messer unter dem Gürtel hervor und reichte es Gerold. Der drehte und wendete es und betrachtete bewundernd
     den Griff. Die Klinge funkelte und spiegelte das flackernde Licht der Fackeln an den Wänden des Saales. Johanna mußte daran
     denken, wie die Klinge im Kerzenlicht des Grubenhauses geschimmert hatte, bevor sie sich ins Pergament des Buches von Aeskulapius
     fraß und die Schrift vernichtete, verzehrte, auslöschte.
    »Ein schönes Stück. Roger hat ein Schwert, dessen Griff ähnlich gearbeitet ist. Roger!« rief Gerold einem jungen Burschen
     zu, der an einem Tisch in der Nähe saß. »Komm einmal her, und zeig diesem jungen Mann dein Schwert.«
    Roger streckte ein langes eisernes Schwert mit kunstvoll gearbeitetem Griff vor.
    Johannes betrachtete die Waffe ehrfürchtig. »Darf ich’s mal anfassen?«
    »Wenn du möchtest, darfst du es in die Hand nehmen.«
    »Du

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