Die Päpstin
er zerwühlte ihr kurzes, weißgoldenes Haar, »bist unverbesserlich.« Als er bemerkte, daß sie
immer noch auf eine Antwort wartete, fügte er hinzu: »Also gut. Ich werde dir sagen, wie ich darüber denke.«
Ihre Augen erstrahlten vor gespanntem Interesse. Wieder mußte Gerold lachen.
»Aber nicht jetzt. Erst einmal muß jemand sich um Pistis kümmern. Komm vor der Vesper zu mir. Dann werden wir uns unterhalten.«
Deutlich war die Bewunderung in Johannas Augen zu erkennen. Gerold streichelte ihre Wange. Sie war kaum mehr als ein Kind;
aber er konnte es nicht mehr verleugnen, daß sie sein Innerstes bewegte. Nun ja, sein Ehebett war kalt genug – weiß Gott –,
um sich der Wärme einer so unschuldigen Zuneigung zu erfreuen, ohne das Gewissen allzusehr zu belasten.
Wieder stupste der Fuchs Johanna an. »Ich habe einen Apfel«, sagte sie. »Darf ich ihn Pistis geben?«
|140| Gerold nickte. »Er hat sich eine Belohnung verdient. Er hat seine Sache heute gut gemacht. Eines Tages wird er ein erstklassiges
Jagdpferd sein, oder ich müßte mich schon sehr irren.«
Johanna schob die Hand in ihren Ranzen, holte einen kleinen, grünroten Apfel hervor und hielt ihn dem Fuchs hin, der ihn behutsam
zwischen die Lippen nahm, um ihn dann gierig hinunterzuschlingen. Als Johanna die Hand zurückzog, sah Gerold irgend etwas
blutrot schimmern. Sie bemerkte, daß er es gesehen hatte, und versuchte, die Hand hinter dem Rücken zu verstecken, doch Gerold
nahm sie und hielt sie ins Licht. Eine tiefe Furche aus aufgeplatzter Haut, rohem Fleisch und getrocknetem Blut verlief quer
über die weiche Handfläche, so gerade, wie mit dem Lineal gezogen.
»Odo?« fragte Gerold mit ruhiger Stimme.
»Ja.« Johanna stöhnte leise auf, als er sanft die Wundränder betastete. Offensichtlich hatte Odo die Rute mehr als einmal
benutzt, und noch dazu mit großer Wucht; die Wunde war tief und mußte sofort behandelt werden, um einer Entzündung vorzubeugen
und zu verhindern, daß sich Fäulnis darin festsetzte.
»Wir müssen uns sofort darum kümmern. Geh zum Haus zurück; ich treffe dich dort.« Es kostete Gerold ziemliche Mühe, seine
Stimme ruhig zu halten, und er staunte über die Kraft seiner Empfindungen. Johannas unbedachte und gefährliche Bemerkung über
die Auferstehung Christi! Unbestreitbar hatte Odo im Rahmen seiner Rechte als Lehrer und Erzieher gehandelt, als er das Mädchen
züchtigte. Wahrscheinlich war es sogar das Beste für Johanna gewesen, daß Odo sie geschlagen hatte; denn auf diese Weise hatte
er seinem Zorn Luft gemacht, und die Wahrscheinlichkeit, daß er die Angelegenheit weiter verfolgte, wurde dadurch geringer.
Dennoch ließ der Anblick der Wunde lodernde, unkontrollierte Wut in Gerolds Innerem aufflammen. Am liebsten hätte er Odo mit
bloßen Fäusten die Seele aus dem Leib geprügelt.
»Es ist nicht so schlimm, wie es aussieht.« Johannas kluge, wache Augen waren auf Gerolds Gesicht gerichtet, und sie beobachtete
ihn aufmerksam.
Noch einmal betrachtete er die Wunde. Sie war tief und verlief genau über dem mittleren, empfindlichsten Teil der Handfläche.
Jedes andere Kind hätte geweint und vor Schmerzen |141| geschrien. Johanna aber hatte kein Wort gesagt – nicht einmal, als er sie gefragt hatte.
Es war gerade erst einige Wochen her, als sie ihr das völlig verklebte Haar hatten abschneiden müssen; damals hatte Johanna
geschrien und gekämpft wie ein Sarazene. Gerold hatte sie später gefragt, weshalb sie sich so heftig gewehrt habe. Johanna
konnte keine bessere Erklärung anbieten als: »Mir hat das Geräusch angst gemacht, als die Schere sich durch mein Haar fraß.«
Ein seltsames Mädchen, da gab es gar keinen Zweifel. Vielleicht, sagte sich Gerold, findest du sie deshalb so faszinierend.
»Vater!« Dhuoda, Gerolds jüngste Tochter, kam herangestürmt. Sie rannte den Hang des baumbestandenen Hügels hinunter, so schnell
ihre kurzen Beine sie zu tragen vermochten. Johanna und Gerold warteten, bis das Mädchen heran war. Dhuoda keuchte, und ihr
Gesicht war gerötet vom schnellen Laufen. »Vater!« Auffordernd hob sie die Arme, und Gerold packte sie und schwang sie in
die Höhe und im Kreis herum, wobei Dhuoda begeistert kreischte, bis Gerold sie schnaufend wieder zu Boden setzte.
Aufgeregt, mit gerötetem Gesicht, zupfte Dhuoda ihn am Ärmel. »Vater! Komm und schau es dir an! Lupa hat fünf Junge bekommen.
Darf ich eins für mich behalten, Vater? Darf
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