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Die Päpstin

Titel: Die Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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interessiert es schon, welche Farbe dein blödes Kleid hat!«
    Richild blickte von ihrer Stickerei auf. »Diese Bemerkung ist einer Dame nicht würdig, Dhuoda!« ermahnte sie ihre jüngere
     Tochter streng.
    »Tut mir leid«, wandte Dhuoda sich kleinlaut an Gisla. Doch kaum schaute Richild weg, streckte sie der älteren Schwester,
     die Dhuoda gutmütig anlächelte, die Zunge heraus.
    »Und was dich angeht, Johanna«, sagte Richild, »steht es dir nicht zu, eine Meinung zu äußern. Gisla wird die Sachen tragen,
     die
ich
für geeignet halte.«
    Johanna errötete angesichts dieser Zurechtweisung, sagte aber nichts.
    »Markgraf Hugo ist ein so hübscher junger Mann!« meldete sich Bertha zu Wort, eine der Dienstmägde. Sie war ein rotwangiges
     Mädchen von nicht mehr als sechzehn Wintern und stand erst seit kurzem in Richilds Diensten. Erst einen Monat zuvor war Bertha
     für eine Magd eingestellt worden, die an Typhus gestorben war. »In seinem Umhang und den Handschuhen aus Hermelin sieht er
     einfach wunderschön aus. Und dann erst auf seinem Roß!«
    Gisla kicherte entzückt. Dieserart ermutigt, fuhr Bertha fort: »Und so, wie er Euch anschaut, junge Herrin, dürfte es wohl
     keine Rolle spielen, welche Farbe Euer Kleid hat. Wenn erst die Hochzeitsnacht gekommen ist, wird er’s Euch sehr schnell ausziehen.«
    Sie lachte hell und freute sich über ihren Scherz. Gisla kicherte. Die anderen auf dem Wagen saßen in erstarrtem Schweigen
     da, die Blicke auf Richild gerichtet.
    Richild legte ihre Stickerei zur Seite. In ihren dunklen |157| Augen loderte Zorn. »Was hast du da gesagt?« fragte sie mit bedrohlich leiser Stimme.
    »Äh … nichts, Herrin«, stammelte Bertha.
    »Ach, Mutter, ich glaube nicht, daß sie es so gemeint hat, wie du jetzt …« Vergeblich versuchte Gisla, den Ausbruch zu verhindern.
    »Derbheit und Unflätigkeit! Das werde ich in meinem Beisein nicht dulden!«
    »Es tut mir leid, Herrin«, sagte Bertha kleinlaut. Doch immer noch lächelte sie leicht; denn sie glaubte nicht, daß Richild
     wirklich so wütend sein könnte.
    Richild bedeutete Bertha, die Rückseite des Wagens zu öffnen. »Raus.«
    »Aber … Herrin!« stieß Bertha schluchzend hervor, die jetzt erst erkannte, wie sehr sie sich geirrt hatte.
    »Raus!« Richild war unerbittlich. »Als Strafe für deine Ungezogenheit und Respektlosigkeit wirst du den Rest des Weges zu
     Fuß gehen.«
    Bis St. Denis waren es mehr als einhundertfünfzig Meilen – eine mörderisch lange Strecke. Reumütig starrte Bertha auf ihre
     Füße, die in groben Rehlederschuhen mit Hanfsohle steckten. Das Mädchen tat Johanna leid. Ihre Bemerkung war dumm und unbedacht
     gewesen; aber Bertha war jung und noch neu in den Diensten der Familie, und sie hatte ganz gewiß nicht beleidigend sein wollen.
    »Und beim Laufen wirst du laut das Paternoster beten.«
    »Ja, Herrin«, antwortete Bertha schicksalergeben. Sie kletterte aus dem Wagen, trottete hinterdrein und rezitierte dabei langsam
     auf Latein:
»Pater noster qui es in coelis …«
Sie sprach in einem eigenartigen Singsang, bei dem die falschen Worte besonders hervorgehoben wurden. Johanna war sicher,
     daß Bertha keine Ahnung hatte, was sie da sagte.
    Richild wandte sich wieder ihrer Stickerei zu. Ihr schwarzes Haar schimmerte im Sonnenlicht, als sie den Kopf über das Kleid
     beugte. Ihre Lippen waren fest zusammengepreßt, und ihre Augen blickten kalt und hart vor Zorn, als sie die Nadel durch den
     dicken Stoff drückte.
    Sie ist eine unglückliche Frau,
dachte Johanna. Das war nicht leicht zu verstehen. Schließlich war sie schön, geachtet und wohlhabend, und vor allem: Sie
     war mit einem Mann wie Gerold verheiratet. Ja, auch ihre Hochzeit war von den Eltern vereinbart |158| worden, doch viele dieser Ehen erwiesen sich als glücklich. Bei Richild und Gerold war dies offensichtlich nicht der Fall.
     Sie schliefen in getrennten Betten und hatten seit Jahren keinen ehelichen Verkehr mehr gehabt, falls man dem Klatsch der
     Dienerschaft glauben konnte.
    »Möchtest du gern reiten?« Gerold, der seinen Fuchshengst neben den Wagen gelenkt hatte, blickte lächelnd auf Johanna hinunter.
     In der rechten Hand hielt er die Zügel von Boda, einer lebhaften braunen Stute, die Johanna besonders gern hatte, wie er wußte.
    Johanna errötete. Es war ihr peinlich, worüber sie soeben nachgegrübelt hatte. Sie war so sehr in Gedanken vertieft gewesen,
     daß sie gar nicht bemerkt hatte, wie Gerold zurückgeritten

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