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Die Päpstin

Titel: Die Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Johannas heller, klarer Freudenschrei übertönte sogar die Jubelrufe der Männer. Gerold wandte sich ihr zu und nickte.
     Dann holte er tief Luft, um noch einmal zu tauchen.
    »Da! Seht nur!« Der Maultierkarrenfahrer des ersten Wagens wies mit dem ausgestreckten Arm flußabwärts.
    Ein länglicher blauer Gegenstand war am anderen Ufer zu erkennen, der sich sanft mit den Wellen hob und senkte. Berthas Umhang
     war blau.
    Johanna, Gerold und die Männer stiegen wieder auf die Pferde und ritten flußab. Im Uferschilf, zwischen abgebrochenen Ästen
     und Trümmerstücken, die ans Ufer gespült worden waren, trieb Bertha auf dem Rücken im Wasser. Ihre schlaffen Arme und Beine
     waren weit ausgestreckt, und auf ihrem toten, starren Gesicht lag ein letzter schrecklicher Ausdruck von Hilflosigkeit und
     Angst.
    »Hebt sie auf«, wandte Gerold sich mit schroffer Stimme an seine Männer. »Wir bringen sie zur Kirche in Prüm, damit sie eine
     anständige Beerdigung bekommt.«
    Johanna begann heftig zu zittern. Sie konnte den Blick nicht von Bertha nehmen. Jetzt, im Tod, sah sie Matthias erschreckend
     ähnlich: die fahle, graue Haut; die halbgeschlossenen Augen; der schlaffe Mund.
    Plötzlich lagen Gerolds Arme um Johanna. Sanft drehte er ihren Kopf zur Seite, drückte ihn an seine Schulter. Johanna schloß
     die Augen und klammerte sich an Gerold fest. Die Männer stiegen von den Pferden und sprangen klatschend ins Wasser; Johanna
     hörte das leise Rascheln des Uferschilfs, als sie Berthas Leichnam daraus befreiten und in die Höhe hoben.
    »Du bist mir vorhin ins Wasser gefolgt, nicht wahr?« flüsterte Gerold, den Mund dicht an Johannas Ohr. Seine Stimme klang
     verwundert, als wäre ihm dies gerade erst bewußt geworden.
    »Ja.« Johanna nickte, ohne den Kopf von seiner Schulter zu nehmen.
    »Kannst du denn schwimmen?«
    |163| »Nein«, gab sie zu und spürte, wie Gerolds Arm sich fester um ihre Schultern legte, als sie gemeinsam am Flußufer standen.
    Hinter ihnen trugen die Männer Berthas Leichnam behutsam zum Wagen. Der Hofgeistliche schritt neben ihnen her; den Kopf gesenkt,
     sprach er Gebete für das tote Mädchen. Richild dagegen betete nicht. Statt dessen starrte sie zu Johanna und Gerold hinüber,
     den Kopf hoch erhoben.
    Schließlich löste Johanna sich aus Gerolds Umarmung.
    »Was ist?« In seinem Blick lagen Zuneigung und Sorge.
    Richild beobachtete die beiden noch immer.
    »N-nichts.«
    Gerold hob den Kopf, folgte Johannas Blick. »Ah.« Sanft strich er ihr eine Strähne weißgoldenen Haares aus der Stirn. »Sollen
     wir uns wieder zu den anderen gesellen?«
    Johanna nickte, und Seite an Seite gingen sie zu den Wagen. Dort verließ Gerold sie, um sich mit dem Hofgeistlichen darüber
     zu besprechen, wie sie Berthas Leiche nach Prüm bringen sollten.
    Sofort rief Richild Johanna zu: »Für den Rest der Reise bleibst du im Wagen, Johanna. Hier bei uns bist du sicherer.«
    Widerspruch war zwecklos. Johanna stieg in den Wagen.
    Derweil legten die Männer Berthas Leichnam behutsam auf einen der hintersten Wagen, wobei sie erst einmal Säcke zur Seite
     schieben mußten, um Platz zu schaffen. Eine Hausdienerin, eine ältere Frau, schrie auf und warf sich weinend über die tote
     Bertha. Wahrscheinlich war sie eine Verwandte des Mädchens.
    Die Frau begann mit der traditionellen Totenklage. Die anderen warteten in respektvollem, verlegenem Schweigen. Als die Klage
     endete, ging der Hofgeistliche nach einer angemessenen Wartezeit zu der Frau und redete mit leiser Stimme auf sie ein. Die
     Frau hob den Kopf; ihre Augen, von Schmerz und Trauer erfüllt, wandten sich Richild zu.
    »Ihr!« schrie die Frau. »Das wart Ihr, Herrin! Ihr habt sie getötet! Sie war ein liebes Mädchen, meine Bertha, und sie wäre
     Euch eine gute Dienerin gewesen! Berthas Tod ist Eure Schuld, Herrin. Eure Schuld!«
    Zwei von Richilds Gefolgsleuten packten die Frau mit grobem Griff und zerrten sie rasch fort. Noch immer schrie sie Richild
     Verwünschungen zu.
    |164| Der Hofgeistliche ging zu Richild herüber. Voller nervösen Unbehagens knetete er sich die Hände. »Sie ist Berthas Mutter.
     Die arme Frau muß vor Trauer den Verstand verloren haben. Natürlich war der Tod des Kindes ein Unfall. Ein tragischer Unfall.«
    »Es war kein Unfall, Wala«, entgegnete Richild streng. »Es war Gottes Wille.«
    Wala erbleichte. »Gewiß. Natürlich.« Als Richilds Hofgeistlicher, als privater ›Hauspriester‹, stand Wala im Rang nur um

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