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Die Päpstin

Titel: Die Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Kaninchen, das vom Blick der Schlange gebannt wird.
    »Das reicht jetzt!« Johanna riß Gislas Hände aus den Fingern der alten Frau. »Komm mit«, sagte sie. Gisla gehorchte, sanftmütig
     wie ein Lämmchen.
    Draußen vor der Hütte brach Gisla in Tränen aus.
    »Glaub doch nicht an diesen Unsinn«, besänftigte Johanna sie. »Die alte Frau ist nicht mehr bei Verstand. Sie redet Unsinn.
     Außerdem stimmt es sowieso nicht, was Wahrsager prophezeien.«
    Doch Gisla war untröstlich; sie weinte und weinte. Schließlich führte Johanna sie zu den Ständen, an denen es Süßigkeiten
     gab; dort kauften die Mädchen sich kandierte Feigen und schlangen sie hinunter, bis sie sich ein bißchen besser fühlten.
    Als sie Gerold an diesem Abend von ihrem Erlebnis erzählten, reagierte er wütend.
    »Was ist das? Hexerei? Johanna und Gisla – ihr führt mich morgen zu dieser Hütte. Ich werde diesem alten Weib, das jungen
     Mädchen Angst einjagt, einige passende Worte sagen. Und du, Gisla, gibst keinen Pfifferling auf den Unsinn, den die Alte dir
     erzählt hat, hörst du? Warum seid ihr überhaupt zu einer Wahrsagerin gegangen?« Mit vorwurfsvoller Miene schaute er Johanna
     an. »Ich hätte gedacht, daß wenigstens
du
es besser weißt.«
    Johanna nahm den Tadel widerspruchslos hin. Dennoch – ein Teil von ihr
wollte
an Balthilds wahrsagerische Kräfte glauben. Hatte die alte Frau nicht gesagt, sie würde Johannas geheimsten Wunsch kennen?
     Falls Balthild in diesem Fall recht hatte, dann
würde
sie, Johanna, zu Macht und Größe gelangen – ungeachtet der Tatsache, daß sie ein Mädchen war, und ganz egal, wie andere Leute
     über diese Weissagung denken mochten.
    Doch wenn Balthild recht hatte, was Johannas Zukunft betraf, |177| dann hatte sie auch recht, was
Gislas
zukünftiges Schicksal anging.
    Als sie am nächsten Tag noch einmal zu der Hütte gingen, war sie leer. Und niemand konnte sagen, wohin die alte Frau gegangen
     war.
     
    Im Winnemanoth wurde Gisla mit dem Grafen Hugo verheiratet. Es gab jedoch einige Schwierigkeiten, einen passenden Tag zu finden,
     der den sofortigen Vollzug der Ehe erlaubte. Die Kirche untersagte alle ehelichen Beziehungen an jedem Mittwoch, Freitag und
     Sonntag – wie auch während der letzten vierzig Tage vor Ostern, während der ersten acht Tage nach Pfingsten, während der letzten
     fünf Tage vor jeder heiligen Kommunion sowie an den Tagen vor allen großen Kirchenfesten und an den Bittagen. Somit war Geschlechtsverkehr
     an insgesamt etwa zweihundertundzwanzig Tagen des Jahres untersagt. Berücksichtigte man dies – und nahm dann noch die Zeitspanne
     hinzu, die wegen Gislas Monatsblutung wegfiel –, blieben nicht mehr allzu viele Tage übrig, die eine Eheschließung mit unmittelbar
     darauffolgender Hochzeitsnacht erlaubten. Doch schließlich einigte man sich auf den 24. Tag des Monats; ein Datum, das allen
     Beteiligten zupaß kam – bis auf Gisla, die es gar nicht erwarten konnte, bis die Feiern begannen.
    Dann, endlich, war der große Tag gekommen. Die gesamte Dienerschaft stand noch vor Tagesanbruch auf, um sich um Gisla zu kümmern
     und sie für die Hochzeit fertigzumachen. Zuerst half man ihr in ihre langärmelige gelbe Untertunika aus Leinen. Darüber zog
     sie das Kleid an, das aus dem gold- und silberdurchwirkten, bunten Stoff geschneidert war, den sie auf dem Jahrmarkt in St.
     Denis gekauft hatte. Das Kleid fiel in anmutigem Faltenwurf von den Schultern bis auf den Boden. Dann wurde ihr ein schwerer
     Gürtel um die Hüfte geschlungen, der mit ›Glückssteinen‹ besetzt war: Achaten, um das Fieber abzuwehren; Kreide zum Schutz
     gegen den bösen Blick; Blutjaspis zur Förderung der Fruchtbarkeit und Jaspis, um eine leichte und sichere Kindsgeburt zu bewirken.
     Zum Schluß befestigten die Dienerinnen einen zarten, wunderschön gearbeiteten Schleier aus Seide in Gislas Haar, der sich
     bis zum Boden bauschte, über ihre Schultern fiel und ihr rotbraunes Haar vollkommen verdeckte. Als Gisla schließlich in ihrem
     vollständigen |178| Hochzeitskleid dastand – und sich kaum bewegen oder gar hinsetzen konnte, aus Angst, die Pracht zu zerknittern –, sah sie
     in Johannas Augen wie ein exotisches Federvieh aus: ein seltsamer Truthahn vielleicht – gefüllt, dressiert und fertig zum
     Anschneiden.
    Nicht mit mir,
schwor Johanna sich. Sie wollte niemals heiraten, wenngleich sie in sechs Monaten vierzehn Jahre alt wurde – ein mehr als
     heiratsfähiges Alter. In

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