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Die Päpstin

Titel: Die Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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herrschte.
    »Ihr habt nach mir geschickt, Herrin?«
    »Setz dich.« Johanna ging zu einem Sessel in der Nähe, doch Richild bedeutete ihr mit einer herrischen Geste, auf einem Holzstuhl
     Platz zu nehmen, der hinter einem kleinen Schreibpult stand.
    »Ich werde dir einen Brief diktieren.«
    Wie alle adeligen Damen in diesem Teil des Reiches konnte Richild weder lesen noch schreiben. Für gewöhnlich diente ihr Wala,
     der Hofgeistliche von Villaris, als Schreiber. Auch Wido, der Haushofmeister, beherrschte das Lesen und Schreiben und war
     Richild in dieser Kunst manchmal zu Diensten.
    Warum hat sie dann nach mir geschickt?
    Ungeduldig trat Richild mit dem Fuß auf. Mit geübtem Blick betrachtete Johanna die Schreibfedern, die auf dem Pult lagen,
     und suchte sich die spitzeste heraus. Sie nahm sich ein Blatt Pergament, tauchte die Feder ins Tintenfaß und nickte Richild
     zu.
    »Von Richild, Markgräfin zu Villaris …«, begann sie zu diktieren.
    Johanna schrieb schnell und schwungvoll. Das Kratzen des Federkiels erfüllte die steinerne Stille der Schreibstube.
    »… an den Dorfpriester von Ingelheim. – Frommer Herr. Eurer Tochter …«
    Johanna schaute auf. »Ein Brief an meinen Vater?«
    »Mach weiter«, befahl Richild in einem Tonfall, der erkennen |193| ließ, daß sie keine Fragen dulden würde. »Frommer Herr. Eurer Tochter Johanna, die inzwischen fast vierzehn Jahre zählt und
     deshalb in heiratsfähigem Alter ist, wird die Fortführung ihrer Studien an der hiesigen Domschule untersagt.«
    Johannas Hand zitterte plötzlich so heftig, daß ihr um ein Haar die Schreibfeder entfallen wäre.
    »Als Vormund Eurer Tochter, der stets auf ihr Wohlergehen bedacht ist«, fuhr Richild fort, wobei sie vorgab, Johannas Entsetzen
     nicht bemerkt zu haben, »habe ich dafür gesorgt, daß sie eine Ehe mit Iso schließen kann, die ihr eine gesicherte Zukunft
     bescheren wird; denn Iso ist der Sohn des Hufschmieds dieser Stadt, eines wohlhabenden Mannes. Die Hochzeit findet in zwei
     Tagen statt. Die Bedingungen des Eheabkommens lauten wie folgt …«
    Johanna sprang auf, wobei sie den Stuhl umstieß. »Warum tut Ihr das?«
    »Weil ich es so will.« Ein kleines, boshaftes Lächeln umspielte Richilds Lippen. »Und weil ich es kann.«
    Sie weiß es,
ging es Johanna durch den Kopf.
Sie weiß über Gerold und mich Bescheid.
Sie spürte, wie ihr das Blut brennend heiß ins Gesicht stieg – so plötzlich und heftig, als würde ihre Haut in Flammen stehen.
    »Ja«, sagte Richild, als hätte sie Johannas Gedanken erraten. »Gerold hat mir von dieser jämmerlichen kleinen Episode am Ufer
     des Flusses erzählt.« Sie lachte freudlos; offensichtlich genoß sie dieses grausame Spiel. »Hast du wirklich geglaubt, die
     unbeholfenen Küsse eines Bauerntrampels würden ihm gefallen? Als er mir davon erzählt hat, haben wir den ganzen Abend darüber
     gelacht!«
    Johanna war zu schockiert, als daß sie auch nur ein Wort hätte hervorbringen können.
    »Du bist erstaunt? Das solltest du nicht sein. Glaubst du etwa, du wärst die einzige gewesen? Meine Liebe, du bist lediglich
     die letzte Perle in Gerolds langer Halskette aus Eroberungen. Du hättest ihn nicht so ernst nehmen dürfen.«
    Woher weiß sie, was zwischen uns gewesen ist? Hat Gerold es ihr wirklich erzählt?
Johanna war plötzlich kalt, als hätte eine eisige Böe sie gepackt.
    »Ihr kennt ihn nicht«, sagte sie standhaft.
    »Ich bin seine Gemahlin, du unverschämtes Gör!«
    »Ihr liebt ihn nicht.«
    |194| »Nein«, gab sie zu. »Aber vor allem möchte ich von der nichtsnutzigen Tochter eines
colonus
nicht beschämt und in Verlegenheit gebracht werden.«
    Johanna versuchte, ihr aufgewühltes Inneres zu beruhigen und wieder einen kühlen Kopf zu bekommen. »Ohne Bischof Fulgentius’
     Zustimmung könnt Ihr mich nicht von der Domschule verweisen lassen. Schließlich hat er mich an die
scola
geholt.«
    Richild hielt Johanna ein Blatt Pergament hin, das Fulgentius’ Siegel trug.
    Hastig überflog Johanna das Schriftstück; dann las sie es ein zweites Mal, langsam und bedächtig, um sich zu überzeugen, daß
     sie sich nicht geirrt hatte. Nein, es gab keinen Zweifel. Fulgentius hatte ihr die Weiterführung der Studien an der Domschule
     untersagt. Neben Fulgentius’ Siegel trug das Dokument Odos Unterschrift. Johanna konnte sich vorstellen, welche Freude es
     Odo gemacht hatte, dieses Schriftstück zu unterzeichnen.
    Als sie Johanna beim Lesen beobachtete, verspürte Richild

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