Die Päpstin
ein Hochgefühl wie schon lange nicht mehr. Endlich mußte dieses
überhebliche kleine Gör erkennen, wie unbedeutend es war. »Jede weitere Diskussion ist überflüssig«, sagte Richild. »Und jetzt
setz dich, und schreib den Brief an deinen Vater fertig.«
»Gerold wird Euch das nicht erlauben«, erwiderte Johanna trotzig.
»Dich mit dem Sohn des Hufschmieds zu verheiraten war
seine
Idee, du dummes Balg!«
Johanna dachte rasch nach. »Wenn es wirklich Gerolds Idee war, wieso hat er es mir vor seiner Abreise dann nicht selbst gesagt?«
»Gerold ist zu weichherzig. Das war immer schon sein Fehler. Er brachte es nicht über sich, es dir zu sagen. Ich habe so etwas
schon des öfteren erlebt … mit deinen Vorgängerinnen. Jedesmal hat Gerold mich gebeten, die Sache in die Hand zu nehmen. Und
das habe ich auch in deinem Fall getan.«
»Ich glaube Euch nicht.« Johanna wich zurück, kämpfte gegen die Tränen. »Ich glaube Euch nicht.«
Richild seufzte. »Die Sache ist abgemacht. Würdest du jetzt
endlich
den Brief fertig schreiben, oder muß ich Wala zu mir kommen lassen?«
|195| Johanna wirbelte herum und stürmte aus dem Zimmer. Bevor sie in die Haupthalle gelangte, hörte sie das Klingeln von Richilds
Glocke, mit der sie ihren Hauskaplan zu sich rief.
Lukas wartete an der Stelle, an der Johanna ihn allein gelassen hatte. Sie ließ sich neben dem Tier auf die Knie fallen. Liebevoll
drückte Lukas seinen Körper an den des Mädchens und legte ihr seinen großen Kopf auf die Schulter. Seine aufrichtige, tröstende
Zuneigung half Johanna, ihr aufgewühltes Inneres halbwegs zu beruhigen.
Ich muß die Ruhe bewahren. Richild legt es nur darauf an, daß ich die Beherrschung verliere.
Sie mußte nachdenken und überlegen, was jetzt zu tun war. Doch immer noch wirbelten ihre Gedanken im Kreis und endeten allesamt
stets an einem Punkt.
Gerold.
Wo mag er jetzt sein?
Falls er auf Villaris gewesen wäre, hätte Richild nicht so handeln können.
Es sei denn, sie hat die Wahrheit gesagt. Es sei denn, es war wirklich Gerolds Idee, sie mit dem Sohn des Hufschmieds zu verheiraten.
Doch Johanna schob diesen verräterischen Gedanken beiseite. Gerold liebte sie; er würde niemals zulassen, daß sie gegen ihren
Willen mit einem Mann verheiratet wurde, den sie nicht einmal kannte.
Und es bestand immer noch die Möglichkeit, daß Gerold rechtzeitig heimkehrte, um diese Sache zu verhindern. Vielleicht konnte
er …
Nein.
Sie durfte ihre Zukunft nicht an einen seidenen Faden hängen. Johannas von Schock und Schmerz getrübter Verstand war klar
genug, um wenigstens das zu erkennen.
Gerold kommt erst in einigen Wochen nach Hause. Die Hochzeit aber soll in zwei Tagen stattfinden.
Sie mußte sich selbst aus dieser Lage befreien. Sie würde es niemals schaffen, diese Ehe einzugehen, die gar keine war.
Bischof Fulgentius. Ich muß zu ihm, muß mit ihm reden, muß ihn davon überzeugen, daß die Hochzeit nicht stattfinden darf.
Johanna war sicher, daß Fulgentius das Dokument nicht frohen Herzens unterzeichnet hatte. Durch Dutzende kleiner, freundlicher
Aufmerksamkeiten hatte der Bischof erkennen lassen, daß er Johanna mochte und daß er sich über ihre Leistungen |196| an der Domschule freute – insbesondere, da sie dem allseits unbeliebten Odo ein solcher Dorn im Auge war.
Richild muß Fulgentius auf irgendeine Weise in die Hand bekommen haben, daß er dieser Sache zugestimmt hat.
Falls Johanna die Gelegenheit bekam, mit dem Bischof zu reden, konnte sie ihn vielleicht dazu bringen, die Hochzeit abzusagen
… oder sie wenigstens bis zu Gerolds Heimkehr aufzuschieben.
Aber vielleicht möchte der Bischof mich gar nicht empfangen.
Schließlich hatte Richild ihn dazu bewegt, Johanna von der Domschule zu verweisen und sie mit einem ihr unbekannten jungen
Mann zu verheiraten. Irgend etwas stimmte da nicht. Und deshalb würde Fulgentius sich weigern, Johanna zu empfangen. Vielleicht
sogar, weil es ihm
peinlich
war. Vermutlich würde er ablehnen, wenn sie um eine Audienz ersuchte.
Johanna kämpfte ihre Ängste nieder und zwang sich, logisch zu denken.
Fulgentius wird morgen das Hochamt lesen. Er wird am Schluß der Prozession zur Kathedrale reiten. Irgendwo unterwegs trete
ich vor ihn hin. Wenn es sein muß, werfe ich mich ihm zu Füßen. Es ist mir egal. Er
wird
anhalten und mich anhören; ich werde ihn schon irgendwie dazu bringen.
Sie schaute Lukas an. »Ob das klappt, Lukas? Und ob es
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