Die Päpstin
Informationen, die er für äußerst beunruhigend hält. Doch über die Bischöfe in diesem
Teil des Reiches weiß er nicht so gut Bescheid. Deshalb muß er sich auf Berichte aus den jeweiligen Bistümern stützen. In
seinem Brief bittet er mich ausdrücklich, ihm dahingehende Informationen über
Eure
Amtsführung zukommen zu lassen … Eminenz.« Sie sprach seinen Titel mit unüberhörbarer Verachtung aus und sah zufrieden, wie
er zusammenzuckte.
»Ich wollte meinem Vetter umgehend antworten«, fuhr sie mit kühler Stimme fort, »aber die Einzelheiten, was die Verlobung
des Mädchens angeht, haben meine Zeit zu sehr in Anspruch genommen. Offen gestanden, haben die Vorbereitungen für die Hochzeit
es mir bis jetzt unmöglich gemacht, meinem Vetter überhaupt zu antworten. Aber nun, da die Hochzeitsfeier verschoben wird,
sieht die Sache natürlich ganz anders aus …« Sie verstummte, ließ ihre Worte einwirken.
Fulgentius saß wie vom Donner gerührt da, schweigend und vollkommen regungslos. Doch tief in seinen schläfrigen, schwerlidrigen
Augen leuchtete ein winziger, jedoch unübersehbarer Funke der Furcht auf.
Richild lächelte.
Johanna saß auf einem Felsblock, von Sorge und Trauer erfüllt. Vor ihr lag Lukas; er legte ihr den Kopf in den Schoß und blickte
aus seinen ausdrucksvollen, opaleszierenden Augen zu ihr auf.
|191| »Du vermißt ihn auch, nicht wahr, mein Junge?« sagte Johanna und kraulte zärtlich das weiße Fell des jungen Wolfes.
Sie war jetzt fast allein; nur Lukas war ihr geblieben. Gerold war seit mehr als einer Woche fort. Johanna vermißte ihn so
sehr, daß es sie selbst verwunderte; die Sehnsucht nach Gerold verursachte ihr körperlichen Schmerz. Sie konnte die Hand genau
auf jene Stelle legen, wo das Stechen in der Brust am stärksten war.
Herzeleid
, ging es ihr durch den Kopf.
Sie wußte, weshalb Gerold fortgereist war. Nach dem, was am Ufer des kleinen Flusses zwischen ihnen beiden geschehen war,
hatte er für eine Weile fortgehen
müssen
. Sie mußten eine Zeitlang getrennt sein, damit die Leidenschaft sich abkühlte und sie beide wieder klaren Kopf bekamen. Johannas
Verstand akzeptierte diese Notwendigkeit, ihr Herz aber lehnte sich dagegen auf.
Warum?
fragte sie sich zum tausendsten Mal.
Warum muß es gerade so sein?
Richild liebte Gerold ebensowenig wie er sie.
Sie grübelte, führte Diskussionen mit sich selbst, zermarterte sich das Hirn darüber, warum es so war,
wie
es war, und weshalb es vielleicht sogar so am besten sein mochte; doch zum Schluß gelangte sie immer wieder zu einer unumstößlichen
Erkenntnis, die alles andere verblassen ließ: Sie liebte Gerold.
Johanna schüttelte den Kopf, wütend auf sich selbst. Wenn Gerold stark genug war, diese lange Reise zu ihrem Besten zu unternehmen
– durfte sie sich dann dem Selbstmitleid hingeben? Nein. Was nun mal nicht zu ändern war, mußte man halt irgendwie ertragen.
Johanna konzentrierte sich auf eine neue Hoffnung, eine neue Lösung dieser Probleme: Wenn Gerold heimkehrte, sollten die Dinge
anders aussehen. Dann wollte sie sich damit zufriedengeben, in seiner Nähe sein zu können, mit ihm scherzen und lachen zu
können, wie sie es immer schon getan hatten … früher. Sie würden wie Lehrer und Schülerin sein, wie Priester und Nonne, Bruder
und Schwester. Sie, Johanna, würde jede Erinnerung an seine Umarmung aus ihrem Gedächtnis verbannen, und die Sehnsucht, noch
einmal seine Lippen auf den ihren zu spüren …
Wido, Gerolds Haushofmeister, tauchte plötzlich neben ihr auf. »Meine Herrin möchte mit dir reden.«
Johanna folgte Wido durch das Tor in der Palisade auf den Eingangshof. Lukas trottete an ihrer Seite. Als sie auf den |192| Haupthof gelangten, zeigte Wido auf Lukas: »Der Wolf darf nicht mit.«
Richild mochte Hunde nicht und hatte verboten, Tiere ins Haus zu lassen, obwohl es in anderen herrschaftlichen Anwesen so
gang und gäbe war. Lukas gegenüber hegte Richild eine besondere Abneigung, weil er Johannas und Gerolds Liebling war.
Johanna befahl Lukas, sich hinzulegen und auf dem Hof auf sie zu warten.
Dann führte ein Wachtposten sie durch die überdachten Säulengänge in die Haupthalle des Wohngebäudes, in der es von Bediensteten
wimmelte, die damit beschäftigt waren, das nachmittägliche Mahl vorzubereiten. Johanna bahnte sich einen Weg zu Gerolds Schreibstube,
in der Richild auf sie wartete. Schlagartig verebbte der Lärm, der in der Haupthalle
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