Die Palm-Beach-Verschwoerung
Die Realität schlug wieder zu. Die Menschen, denen ich am meisten vertraut hatte, waren tot. Ich hatte den Alptraum in den vergangenen sechs Stunden schon hundertmal durchlebt - und jedes Mal war er schlimmer geworden.
Ich blätterte in der Zeitung, unschlüssig, ob ich etwas finden wollte oder nicht. In den meisten Artikeln ging es um die Situation im Irak und um Wirtschaft. Die erneute Zinssenkung.
Als ich weiterblätterte, fielen mir fast die Augen aus dem Kopf.
GEWAGTER KUNSTRAUB UND MEHRFACHER MORD IN PALM BEACH
Ich schlug die Zeitung nach hinten um.
Das schicke und beliebte Palm Beach wurde vergangene Nacht von einer Serie von Gewaltverbrechen heimgesucht. Begonnen hatte die Serie mit dem Mord an einer attraktiven Frau, die in ihrer Hotelsuite ertränkt wurde, gefolgt von einem unverfrorenen Einbruch und dem Raub mehrerer unbezahlbarer Gemälde aus einer der ehrwürdigsten Villen der Stadt. Höhepunkt war wenige Stunden später der vierfache Mord im Stil einer Hinrichtung in einer Nachbargemeinde.
Laut Aussage der Polizei gibt es noch keine direkte
Spur zu den Tätern, und zum momentanen Zeitpunkt ist nicht sicher, ob die brutalen Verbrechen in einem Zusammenhang stehen.
Das kapierte ich nicht. »Diebstahl mehrerer unbezahlbarer Gemälde«. Dee hatte gesagt, dass sie reingelegt worden waren.
Ich las weiter. Die Namen der ermordeten Personen. Normalerweise sind Gesichter und Namen etwas Abstraktes. Aber das hier war schrecklich real. Mickey, Bobby, Barney, Dee - und natürlich Tess.
Das ist kein Traum, Ned. Das hier ist wirklich passiert.
Der Artikel fuhr mit der Beschreibung fort, wie diese wertvollen Kunstwerke aus der Vierzig-Zimmer-Villa des Geschäftsmanns Dennis Stratton, der Casa del Océano, gestohlen worden waren. »Der Raub der nicht namentlich genannten Gemälde mit einem geschätzten Wert von 60 Millionen Dollar gehört zu den größten Beutefängen der US-Geschichte.«
Das glaubte ich einfach nicht.
Gestohlen? Wir waren reingelegt worden. Wir waren gewaltig reingelegt worden.
Meine Pfannkuchen wurden gebracht. Sie sahen genauso großartig aus, wie die Werbung versprach. Aber ich hatte keinen Hunger mehr.
Die Kellnerin schenkte Kaffee nach. »Alles in Ordnung?«, fragte sie.
Ich tat mein Bestes, um zu lächeln und zu nicken, konnte aber nicht antworten. Eine neue Angst setzte sich in meinen Gedanken fest.
Man wird eine Verbindung zu mir herstellen.
Alles würde herauskommen. Ich konnte zwar nicht klar denken, aber eins war sicher: Sobald die Polizei bei Sollie auftauchte, würde man wissen, was für einen Wagen ich fuhr.
24
Als Erstes musste ich meinen Wagen loswerden.
Ich bezahlte und fuhr mit dem Bonneville zu einem kleinen Einkaufszentrum, wo ich die Autoschilder abmontierte und fortwarf und anschließend den Wagen von allen Spuren befreite, die zu mir führen konnten. Dann ging ich in die Stadt zurück und stellte mich vor eine kleine Nissenhütte, die als Busdepot diente. O Mann, »Verfolgungswahn« war ab jetzt mein Zweitname.
Eine Stunde später saß ich im Bus nach Fayetteville in Nord-Carolina. Also nach Norden.
Ich vermute, ich kannte mein Ziel. An einem Essensstand an der Haltestelle Fayetteville würgte ich gierig einen Hamburger und Pommes frites runter, während ich den Blick der anderen Menschen mied, als würden sie eine mentale Bestandsaufnahme meines Gesichts vornehmen.
Schließlich nahm ich spätabends einen Greyhound-Bus, der alle Punkte im Norden anfuhr: Washington, New York.
Und Boston. Wo, zum Teufel, sollte ich hin? Dort hatte meine »Glückssträhne« doch begonnen, oder? Die meiste Zeit schlief ich und versuchte, mir vorzustellen, was ich nach meiner Ankunft tun würde. Seit vier Jahren war ich nicht mehr zu Hause gewesen. Seit ich in Ungnade gefallen war. Ich wusste, dass mein Vater mittlerweile krank geworden war, aber schon vorher war er nicht gerade der Felsen von Gibraltar gewesen. Nicht, wenn man seine Verurteilungen für alles Mögliche, angefangen bei der Annahme gestohlener Ware bis zur Betätigung als Buchmacher, mit einbezog. Und seine drei Knastaufenthalte.
Und Mom … Sagen wir, sie war immer da. Mein größter Fan. Zumindest nachdem mein älterer Bruder, John Michael,
beim Überfall auf einen Schnapsladen erschossen worden war. Blieben noch mein jüngerer Bruder Dave und ich. »Du wirst in niemandes Fußstapfen treten, Ned«, hatte sie mir schon früh das Versprechen abgenommen. »Du musst nicht wie dein Vater werden - oder dein
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