Die Pan-Trilogie, Band 3: Die verborgenen Insignien des Pan (German Edition)
ausgesucht, die keine Kinder bekommen konnte. Niemand ahnte, dass er doch welche zeugen würde. Jedoch nicht mit seiner Frau Gwenwhyfar, sondern mit einer irischen Prinzessin, die ihn verführte.«
Ich schluckte.
Oberon trat an die Fenster. »Komm her, Felicity Morgan, sieh aus dem Fenster.« Er winkte mich zu sich.
Zögernd stand ich auf und ging zu ihm. Nicht nur seine Gegenwart schüchterte mich extrem ein. Er war furchteinflößend. Und ich mochte ihn nicht. Gebührend Abstand zu ihm haltend sah ich aus dem Fenster. Der ganze Schrecken des Schlachtfeldes bot sich mir dar. Mit einem Mal glaubte ich durch die geschlossenen und gut isolierten Fensterscheiben wieder den Lärm und das Gebrüll hören zu können. Die Apfelhaine waren verkohlt, die Wiese bis hinunter zur Anlegestelle der Boote war von Leichen übersät, alles, was ursprünglich grün gewesen war, war jetzt verbrannt oder rot von Blut.
Es war ein Bild, das ich sicher nie wieder vergessen würde. Ein Bild, für das zu vergessen ich jeden Preis gezahlt hätte.
Immer noch kämpften Elfen gegen Drachen. Manchmal gegen Menschen, weil der Drache verwundet war. Auf dem Boden lagen beide Parteien, Seite an Seite, Blut in Blut.
Oberon trat näher an mich heran. »Du kannst das beenden. Übergib mir die Insignien und das Töten hat ein Ende.« Er war so groß wie sein Sohn Eamon und Eamon ähnelte ihm sehr. Aber Oberons Augen waren stechender, härter, alles an ihm strahlte Macht und Autorität aus.
Unvermittelt stellte sich mir eine weitere Frage. »Wieso zuckt es, wenn Eamon mich berührt?«
»Es zuckt?«
Ich hatte ihn überrascht. »Ja, genauso, wie wenn Lee mich berührt hat, ehe wir …« Ich musste ihm nicht mein Intimleben auf die Nase binden.
Das brachte Oberon ein wenig aus der Fassung. Sein Mund war vor Überraschung geöffnet. »Es ist eine alte Erkenntnis, dass, wenn man jemanden trifft, der diese Impulse auslöst, man den Partner fürs Leben gefunden hat. In der Regel zuckt es immer nur bei einem einzigen Elf. Eine solche Verbindung wird als sehr gut angesehen, denn die Chancen auf Nachkommen steigen damit. Mitunter kommt es vor, dass man nie jemanden trifft, bei dem es zuckt … Und jetzt, da du alles weißt, sag mir, wo die Insignien sind. Bedenke, dass wir beide mit den Insignien ein einzigartiges Königreich schaffen können.«
Ein Königreich, das auf Blut aufgebaut wurde, konnte kein gutes Königreich werden. So gut hatte ich in Geschichte aufgepasst. Ciarans Geschichtsunterricht.
In diesem Moment knallte es. Nicht draußen, sondern direkt neben uns und es wurde schlagartig dunkel. Das Fenster zerbarst, Glassplitter flogen durch die Luft, ich fühlte, wie sich einer davon in meine Hand bohrte. Als ich aufsah, war das Fenster durch unzählige Schuppen verdeckt und eine Klaue krallte sich an den Fenstersims.
Ein Drache!
Er beugte seinen Kopf vor und das geschlitzte Reptilienauge erfasste Oberon und mich.
Ich sah Oberon an. Er war genauso erschrocken wie ich. Seine Geduld hatte mit einem Mal ein Ende. Er umfasste meine Schultern und schüttelte mich energisch. »Wo sind die Insignien? WO?«
Die Klaue des Drachen begann am Fenstersims zu zerren, als wolle er die Steine abreißen.
»Siehst du nicht, dass wir sie brauchen?«
Die Fensterbank begann zu bröckeln. Oberon drängte mich aus der Bibliothek in den Flur. Von außen konnten wir es kratzen hören. Der Drache bearbeitete weiter die Mauer. Wie es aussah, wollte Oberon ihn mitnichten daran hindern. Er bearbeitete stattdessen mich. Er verpasste mir eine Ohrfeige, deren Klatschen im Gang widerhallte.
Niemals würde ich ihm helfen. Lieber wollte ich mich diesem Drachen … äh, eher doch nicht. Mir fiel nur noch ein Ausweg ein, wenn ich jemanden auf mich aufmerksam machen wollte: schreien wie ein kleines Mädchen. »HILFE!«, schrie ich.
»Das nutzt nichts mehr«, sagte Oberon. »Alle kämpfen. Niemand hört dich. Die Schule ist verlassen. Sag mir, wo wir sie finden. Dann können wir all dem ein Ende setzen.«
»HILFE! Kann mich jemand hören? Pan! Lee! Hilfe!«
Der Drache in der Bibliothek brüllte. Das Kratzen hörte auf und dann sahen wir seinen Schatten vorbeifliegen. Oberon zog sein Schwert. Da kam ein Sonnenstrahl durch die Fenster und ich konnte ihn an der Wand sehen. Den Schatten.
»Hilf mir! Bitte hilf mir!«
Oberon drehte sich überrascht in die Richtung, in die ich gerufen hatte. Und im Gegensatz zu Pans Schatten sah er diesen Schatten ebenfalls. Er ließ das
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