Die Pan-Trilogie, Band 3: Die verborgenen Insignien des Pan (German Edition)
Ich war enttäuscht. Zumindest
wusste ich jetzt, weshalb er Handschuhe trug. Damit er mich berühren konnte.
Die Nacht war furchtbar. Wieso schnarchten die meisten Männer so laut? Und die Gase, die sie abließen waren auch sehr unangenehm. Ich lag dicht bei Lee und versuchte Schlaf zu finden.
Doch kaum, dass mir die Augen zufielen, schreckte mich ein Geräusch wieder auf.
»Ich passe auf dich auf«, flüsterte Lee irgendwann leise. Die ersten Vögel sangen schon. »Dir wird nichts passieren.«
»Sieh zu, dass wir schnell zurück können«, raunte ich ihm zu.
Er lächelte ein wenig schief, dann legte er seinen noch immer behandschuhten Arm um mich und zog mich näher an sich ran.
Erst dann fielen mir endlich die Augen zu.
»Fay! Wach auf! SOFORT!«
Lee riss mich hoch. Benommen blinzelte ich. Ich konnte nicht lange geschlafen haben. Es war noch immer nicht wirklich hell. Meine Sicht wurde auch sofort wieder ins Schwanken gebracht, denn alles begann sich zu drehen. Jemand hob mich hoch!
Im nächsten Moment wurde ich durch die Luft gewirbelt. Bei meinem Sturz hatte ich noch so viel Schwung, dass ich ein paar Meter durch das Laub rollte und atemlos liegen blieb.
Jetzt erst verstand ich, was um uns herum vorging:
Wir wurden überfallen.
Im Dämmerlicht erkannte ich Helme und Kettenhemden. Ich war ganz benommen und registrierte deswegen nur schwach, dass John brutal zu Boden geschlagen wurde. Ich stützte mich auf und sah, wie der junge, eiskalte Bursche durch einen Schwertstreich mit schmerzverzerrtem Gesicht zu Boden gestreckt wurde. Ich konnte nicht anders. Ich schrie.
Mein Schrei wurde abrupt geblockt von einer großen, schwieligen Hand über meinem Mund. Ich wurde brutal hochgezerrt. Ein Reißen mit darauffolgendem Schmerz zog durch meinen linken Arm bis in die Schultern. Ich schrie wieder, dieses Mal vor Pein. Jetzt konnte ich meinen Angreifer für den Bruchteil einer Sekunde sehen. Ich nahm einen Mann mit sorgfältig gestutztem Bart und einer Rüstung wahr. Dann verschwand er wieder aus meinem Blickfeld.
In meiner Schulter knackte es und jetzt wurden die Schmerzen erst richtig heftig. Ich wollte schreien, nach Lee rufen, doch der Mann stopfte ein Stück Stoff in meinen geöffneten Mund, so dass es mich würgte. Dann warf er mich über seine Schulter. Im nächsten Moment waren wir aus dem Wald hinaus - in einer Geschwindigkeit, die selbst Lee nicht hinbekommen hätte.
ENTFÜHRT
Wenn Lee mit mir auf dem Rücken lief, wirkte das, wie wenn man beim Autofahren aus dem Seitenfenster auf die Leitplanken sah. Man nahm die Landschaft wahr, wenn auch verschwommen.
Das hier war anders. Extremer. Das Auge konnte keinen festen Punkt ausmachen, alles sirrte an einem vorbei. Ich sah nur Schemen und Umrisse und versuchte anhand der Farben zu erraten, ob es sich um Bäumen, Hecken, Felsen oder ein freies Feld handelte. Meine Augen konnten überhaupt keinen Punkt fixieren. Als wäre ich in einem Freefall-Tower, der im Dunkeln fuhr. Ich konnte nicht ausmachen, ob die Schmerzen in meiner linken Schulter mich zeitweise das Bewusstsein verlieren ließen, das dämmrige Morgenlicht daran schuld war oder ob mein Entführer tatsächlich wesentlich schneller lief als Lee. Ich war auch nicht in der Lage, den Knebel aus meinem Mund zu ziehen. Auch wenn Lee mich oft unsanft über die Schulter warf - das hier war wesentlich unangenehmer. Und es zog sich elendig lange hin. Ich klebte an meinem Entführer fest, ohne die Möglichkeit, mich zu rühren oder meine Position verändern zu können.
Warum ich?
Diese Frage hatte ich mir, seit Lee am College aufgetaucht war, schon oft gestellt. Aber vielleicht würde sie ja gerade jetzt für die richtige Ablenkung von meiner unangenehmen Lage sorgen. Ich stellte mir Felicity Stratton an meiner Stelle vor. Wie sie jetzt im Mittelalter kopfüber von einem Fremden entführt wurde. Wie würde sie sich anstellen? Wie hätte sie sich angestellt, wenn sie neben Lee in ihrem heißen Bikini die Stadt hätte betreten müssen? Wäre sie hysterisch geworden? Oder hätte sie sich verteidigen können, wie einer von Charlies Engeln? Eine hysterisch kreischende Felicity mochte ich in meiner Vorstellung lieber, als eine taffe, der Lee anerkennend zulächelte.
Überhaupt ging mir das Bild von Lee und Felicity im Whirlpool noch nach. Auf sehr unangenehme Art. Wie konnte sie es wagen, sich so offensichtlich …
Es gab einen abrupten Halt, bei dem mein herunterhängender Oberkörper mit voller Wucht gegen
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