Die Pan-Trilogie, Band 3: Die verborgenen Insignien des Pan (German Edition)
Ich sah mich um. Die Höhle war lange nicht so schön wie ›Fays Grotte‹, aber auch nicht so düster wie Fingal‘s Cave auf Staffa. Weiter hinten tropfte es. Vielleicht, wenn sich eine Pfütze angesammelt hatte … Aber den Gedanken, eine Nymphe zu rufen, verwarf ich sofort wieder. Deirdre könnte mir jetzt ohne großen Kraftaufwand den Rest geben.
Die Höhle war ein großer Raum mit drei verschiedenen Ausgängen. Neben dem Feuer entdeckte ich eine Fackel. Ich entzündete sie und ging ein paar Schritte. Die Messer in meiner Schulter bohrten und verschlimmerten den Schmerz. Ich wählte den erstbesten Ausgang. Schleppend und vorsichtig tastete ich mich voran. Viel Licht brachte eine solche Fackel auch nicht. Also hatte Indiana Jones doch Scheinwerfer zur Unterstützung gehabt.
Vor mir erkannte ich eine Stufe. Ich hielt die Fackel tiefer und zuckte erschrocken zurück. Dort lag ein Skelett. Und direkt daneben noch eines. Ich hielt die Fackel so hoch wie möglich, um etwas von dem Raum zu erkennen. Ich konnte zwar keine Rückwand sehen, aber im Fackelschein lagen menschliche Skelette. Als hätte eine Gruppe von Menschen sich hierher zusammengekuschelt, um auf den Tod zu warten.
»Lee«, rief ich erneut. »Verdammt, wenn du mich hören kannst, jetzt könnte ich dich wirklich gut gebrauchen.«
Hinter mir hörte ich Schritte.
»Gibst du dich auch mit mir zufrieden?«, sagte eine allzu bekannte Stimme.
Vor Erleichterung knickten mir die Knie ein. »Ciaran! Wie kommst du hierher?«
»Drachentreffen. Du warst doch dabei, oder? Ich musste allerdings sichergehen, dass alle verschwunden waren, ehe ich zurückkommen konnte.«
»Gott sei Dank! Ich bin zum ersten Mal froh, dass du beides bist. Drache und Elf.« Meine gebrochene Schulter schlug unglücklich gegen einen vorstehenden Felsen. Ich stöhnte und ließ die Fackel fallen.
Er fing sie auf. »Ist mit dir alles in Ordnung?«
Ich sah ihn an. »Ich weiß, dass du mir gern eine Lektion erteilst, aber ich kann wirklich nichts für diese Situation. Und ich habe ernsthaft Schmerzen. Bitte, keine Predigt.«
»Du hast eine denkbar schlechte Meinung von mir, Felicity. Ist das eine gebrochene Schulter?«
»Schlüsselbein und ein ausgerenktes Schultergelenk, glaube ich. Kannst du was dagegen tun?«
Er zögerte zum Glück keine Sekunde, sondern beugte sich über mich und hauchte mich an. Ich hatte den Salmiak-, Anisduft schon vergessen. Kurz tauchte die Erinnerung an das letzte Mal, als ich ihn gerochen hatte, auf: an ein großes Bett in einem hellen Rokoko-Appartement in Versailles. Ein paar Sekunden später vergingen die Schmerzen.
»Danke«, sagte ich aufrichtig und setzte mich gerade hin.
»Das muss noch gerichtet werden. Ich kann dir nur die Schmerzen nehmen«, erklärte Ciaran. »Wie ist das geschehen?«
»Deine Sippschaft hat mich entführt«, erklärte ich und ergriff seine dargebotene Hand, um aufzustehen.
»Ins zwölfte Jahrhundert nach Südwales?«
»Ich bin in Wales?«, fragte ich verblüfft. Mein Entführer war wohl weiter und schneller gerannt, als ich gedacht hatte. Trotzdem, von Nottinghamshire bis Wales fuhr man mit dem Auto mehrere Stunden.
»Nottinghamshire? Dann ist er geflogen.« Er sah meinen geöffneten Mund und lächelte. »Was denkst du denn? Drachen können fliegen. Ich dachte, das wüsste jedes Kind.«
Anscheinend waren sämtliche Mythen wahr.
»Was wollte meine Sippschaft von dir?« Ciaran nahm meine Hand und führte mich. Er wählte den dritten Ausgang.
Das Feuer neben dem ich aufgewacht war, war nur noch am Glimmen. Im flackernden Lichtschein konnte ich an der Wand im Gang ein paar Zeichnungen erkennen. Die Höhle musste uralt sein.
»Die Skelette dort hinten …«
»Die Menschen sind nicht von Drachen getötet worden«, erriet Ciaran meine Gedanken, ohne mir in die Augen zu sehen.
»Aber Drachen und Menschen …«
Ciaran warf mir einen kurzen Blick zu. »Das ist auch kein Mythos. Es stimmt schon.«
»Wieso sollte ich euch dann helfen? Ihr tötet Unschuldige.«
»Andererseits sind wir auch unschuldig. Wenn wir keinem Menschen begegnen, töten wir ihn auch nicht. Es ist mehr ein Trieb, wenn wir hungrig sind.«
Ich schluckte. »Hast du schon einmal …«
Er schüttelte den Kopf. »Nein. In der Regel begeben wir uns an entlegene Orte, damit so etwas nicht geschieht. Was glaubst du, warum wir uns in diese Höhlen zurückziehen?«
»Fingal’s Cave war übersät von menschlichen Knochen«, widersprach ich leise.
»Die englische
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