Die Pan-Trilogie, Band 3: Die verborgenen Insignien des Pan (German Edition)
lenkten auch ständig meine Gedanken in andere Richtungen.
Die Knochen waren irgendwann gänzlich gelöst und die meisten rausgefischt, der Eintopf war schön dick und reichlich. Die Sonne war im Begriff unterzugehen, als Much plötzlich aufsah. Er hatte die ganze Zeit über kein Wort mit mir gesprochen. Nur jede meiner Bewegungen argwöhnisch beobachtet. Vor allem, wenn ich mich am Topf zu schaffen machte. Jetzt sah er an mir vorbei.
Und dann hörte auch ich es. Das Vogelzwitschern hatte aufgehört. Stattdessen waren Stimmen zu vernehmen. Die Männer kamen zurück. Ich sah Lee unter ihnen. Er unterhielt sich mit dem rothaarigen John und trug andere Kleider. Kleider, die ihm besser passten als das Kittelchen zuvor. Jetzt sah Lee mich an. Ich konnte auf seiner Wange ein paar Flecken erkennen. Auch sein Haar war schmutzig. Er hielt ein paar Schuhe hoch. John an seiner Seite grinste breit.
»Und, Much? Hat unser Püppchen alles richtig gemacht?« Robert trat zu dem alten Mann und reichte ihm etwas, das ich von meiner Position aus nicht sehen konnte. Ich konnte auch Muchs Antwort nicht verstehen.
Lee trat zu mir und sah in den Topf. »Das riecht gut.«
»Du klingst überrascht«, sagte ich und betrachtete die neue Kleidung. Sie war aus feinem Tuch, die Hosen noch immer etwas zu kurz für seine langen Beine, aber sie hatten jemandem mit Geld gehört.
»Hier.« Lee kniete vor mir nieder und nahm einen meiner Füße in seine Hände. Er säuberte ihn grob und streifte mir dann einen Schuh über. Beim anderen Fuß verfuhr er genauso. »So, Aschenputtel. Jetzt hast du auch keine kalten Füße mehr.«
Ich atmete erleichtert auf. »Danke.« Die Flecken auf seinem Haar und in seinem Gesicht waren braun bis rötlich, als hätte er im Weg eines pinselausschüttelnden Malers gestanden. Ein erschreckender Gedanke kam mir. »Ist das … Blut?«
Lee sah weg und nickte. »Ich gehe mich gleich waschen.« Er stand abrupt auf, als wolle er flüchten.
Besorgt sah ich Lee hinterher. So betroffen hatte er nicht einmal gewirkt, als ich ihn in der Drachenhöhle gefunden hatte.
»Das riecht himmlisch, Felicity.« John tauchte neben mir auf, steckte die Nase in den Kessel, sah aber mich an.
Zerstreut rührte ich noch einmal um. Sollte ich ihn fragen? Wollte ich es überhaupt wissen? »Wie war es?«, traute ich mich dann doch John leise zu fragen.
Er zuckte die Schultern. »Wie so etwas immer ist. Viel Geschrei, viel Krach, ein paar Verletzte, ein paar Tote.«
Ich warf einen Blick um mich. Waren wieder alle da? Ich wusste es nicht.
»Wir haben einen Mann verloren.«
»Wie kannst du das so gleichgültig sagen?«, fragte ich entsetzt.
»Hab ihn kaum gekannt. Hier wechselt ständig das Publikum, Mädchen. Leg dir ein dickes Fell zu, ansonsten gehst du unter. Und dein Bruder auch.« Bruder betonte er sehr sarkastisch. »Davon abgesehen hast du jetzt was an den Füßen und eine gute Chance den Winter zu überleben. Was willst du mehr?« Er steckte den Finger in den Kessel und zog anerkennend die Augenbrauen hoch. Dann ging er.
Was wollte ich mehr? Lee hatte recht. Das hier konnte nicht die Bande von Robin Hood sein. Meine Vorstellung von Robin Hood war eine andere. Ehrenhafter. Romantischer. Das hier war eine richtige Räuberbande. Darauf aus zu überleben. Nur aus diesem Grund hatte man eine Zweckgemeinschaft gegründet. Prinz John regierte mit extremer Härte, weil sein Bruder sich auf einem unsinnigen Kreuzzug vergnügte und nicht nach Hause kam. Wenn der hier wäre …
Das war es!
Wir mussten Richard Löwenherz finden! Dann konnten wir zurück nach Hause. Ich sprang auf und rannte Lee hinterher. Ich wollte wissen, ob ich mit meiner Theorie richtig lag.
Ich fand ihn an dem Weiher, in dem ich beinahe ertrunken wäre. Die neuen Kleider lagen achtlos auf einem Haufen. Er stand hüfttief im Wasser und wusch sich vornübergebeugt mit ruppigen Bewegungen den Kopf. Als spüre er meine Anwesenheit, hielt er plötzlich inne und drehte sich zu mir um.
»Prinz John will Richard Löwenherz umbringen. Wir müssen das Attentat verhindern. Dann können wir heim«, sprudelte ich hervor.
Lee sah mich einen Moment lang an, dann spritzte er sich eine letzte Ladung Wasser ins Gesicht. Seine Ohrspitzen lugten lang und deutlich sichtbar zwischen den nassen Strähnen heraus. »Nein, will er nicht«, sagte Lee ruhig und kam aus dem Wasser. Erschrocken erkannte ich, dass er nackt war und drehte mich schnell um. »Richard kann kein besonders guter
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