Die Pan-Trilogie, Band 3: Die verborgenen Insignien des Pan (German Edition)
nur einmal loszulassen und pfiff dann, um den Donner zu übertönen und zu signalisieren, sie könnten uns hochziehen.
Die drei Köpfe verschwanden und so bekamen sie nicht mit, dass Lee unter mir die Wand wie eine Spinne hinaufkletterte, während ich ziemlich zügig wenn auch schmerzhaft hochgezogen wurde. Erst kurz vor dem Fenster, als der erste mir helfend eine Hand entgegenstreckte, rückte Lee so nah an mich heran, als habe er ebenfalls am Seil gehangen.
Schwungvoll wurde ich hineingezogen. Lee war direkt hinter mir. Ich krabbelte so weit von ihm weg, wie ich konnte. Er sah mich bestürzt an. Ich wich seinem Blick aus und sah auf unsere Retter. Sie trugen Kniebundhosen, braune Kittel über grauen oder beigen Hemden und Kappen auf verfilztem Haar. Definitiv nicht das einundzwanzigste Jahrhundert. Auch nicht das achte Jahrhundert oder die Antike.
»Wie seid ihr beide zu Maria Theresia und Vok gekommen?«, fragte der, der uns entdeckt hatte.
»Zu wem?«, fragte Lee irritiert.
»Zu den Bären. Jeder hier in Krummau kennt Maria Theresia und Vok. Wie seid ihr ins Bärengehege gelangt?«
»Das war äußerst leichtsinnig«, sagte der Mittlere streng. »Die Bären mögen zwar seit Jahren hier leben, aber sie sind keineswegs zahm. Erst letzten Frühling hat Maria Theresia einen Wärter getötet. Wir konnten nur einen Teil seiner Leiche bergen, so brutal ist sie mit ihm umgegangen.«
»Und Pavel war seit über sieben Jahren der Bärenhüter«, ergänzte der Dritte düster.
Ich konnte Lee nicht ansehen. Die Furcht steckte mir noch zu tief in den Knochen. Sollte er zusehen, wie er uns da raus manövrierte. Mir war alles egal. Ich wollte nur trocken und warm werden und weg von ihm. Weit weg.
»Ich glaube, meine Frau braucht erst trockene Kleidung. Sie ist völlig durchfroren. Außerdem leidet sie unter Höhenangst.«
Ich konnte die Blicke, die die drei Männer wechselten, genau lesen: Was will die blöde Kuh dann auf dem höchsten Fels im Bärengehege? Aber auch das war mir egal. Der Schock setzte ein. Meine Beine knickten weg wie Strohhalme unter einem Hagelschauer. Ehe ich auf dem Boden aufschlug, war Lee bei mir und fing mich auf. Ich zuckte zurück und schubste ihn in einem Rest von Selbsterhaltungstrieb von mir.
»Nicht, Fay, ich bin es«, raunte er. Oder dachte er es? Ich konnte seine Lippen dicht vor meinen Augen sehen, aber ich nahm alles wie durch einen Schleier wahr. Meine Hände gehorchten mir nicht mehr, ich hörte die Männer etwas rufen, den Donner erneut grollen und dann wurde es schwarz.
AM HOF DER BLUTFÜRSTIN
Ich blinzelte, weil mich die Sonne an der Nase kitzelte.
»Uff, du hast mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt.«
Lee saß vor mir. Ich selber lag in einem Bett und die Sonne musste bereits hoch am Himmel stehen, denn es war das warme Nachmittagslicht. Einen Moment lang überlegte ich verwirrt, wo ich mich befand und weshalb Lee diese seidenen Kniebundhosen mit weißen Strümpfen trug. Oder das lächerliche Rüschenhemd mit der fliederfarbenen Weste. Obwohl, wenn einer fliederfarbene Westen tragen konnte, dann Lee. Sogar Ciaran hätte dämlich darin ausgesehen. An Lee wirkte es mondän. Und dann fiel mir wieder alles ein.
Schlagartig war ich hellwach.
»Bitte, Fay, hab keine Angst vor mir.«
Lee streckte eine Hand nach mir aus. Ich zuckte zurück und sprang auf der anderen Seite aus dem Bett. Dummerweise verhedderte ich mich in den Laken und knallte kopfüber zu Boden.
»Fay!« Lee war schneller bei mir, als das menschliche Auge wahrnehmen konnte.
»Fass mich nicht an, du Werwolf!« Ich wich auf allen vieren nach hinten.
Sein schönes Gesicht sah betroffen aus. »Das wollte ich nicht. Ich wollte dich nicht erschrecken. Wieso konntest du das überhaupt hören?«
»Du hast das schon mal gemacht«, erinnerte ich ihn. »Damals bei dieser Anti-Halloween-Fete von Cynthia. Du hast Jack angeknurrt. Ich hatte es ganz vergessen.«
Lee seufzte. »Ich wusste nicht, dass du das hören kannst. Damals bei Jack, ja. Aber gestern bei den Bären … Es tut mir leid, wenn ich dich erschreckt habe. Ich bin noch immer der Gleiche wie vorher.«
Ich schüttelte den Kopf. »Ein Werwolf im Elfpelz?«
Seine Mundwinkel zuckten amüsiert. »Es gibt keine Werwölfe, Fay.«
»Es sollte auch keine Elfen geben und trotzdem bist du hier.«
»Ich dachte, diesen Teil hätten wir längst hinter uns gelassen. Vergiss die Sache mit den Märchenfiguren.«
»So? Hast du deine Ohrspitzen die letzte Zeit einmal
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