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Die Papiermacherin

Titel: Die Papiermacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Conny Walden
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Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang schritten sie neben den Kamelen her. Li hörte irgendwann auf, die Tage zu zählen. Die Landschaft veränderte sich nur langsam. Die flachen, von weit entfernten Gebirgsmassiven eingerahmten Grasländer gingen irgendwann in eine steinige, staubtrockene Wüste über, an deren südlichem Rand die Karawane entlangzog. Babrak, der Feilscher, und seine Männer machten keinerlei Anstalten, die drei Gefangenen einer besonderen Bewachung zu unterwerfen. Sich in diesem kargen Land allein durchzuschlagen war wenig aussichtsreich. Schon in ihrem eigenen Interesse durften Li, Mister Wang und Gao nicht zurückbleiben.
    Es vergingen Tage oder Wochen, in denen sie durch eine öde, menschenfeindliche Landschaft zogen, ohne dass ihnen irgendein Mensch begegnet wäre.
    Aber Bruder Anastasius hielt sein Versprechen und brachte Li jeden Tag ein paar neue Wörter in Griechisch und Latein bei. Sie stellte fest, dass sich die Wörter in diesen Sprachen so stark veränderten, dass man sie manchmal kaum wiedererkennen konnte. So ähnlich war es auch im Persischen, und Li fragte sich, weshalb diese einfache Klarheit, die die Sprache des Han-Volks auszeichnete, in der jedes Wort unveränderlich blieb, in den Sprachen des Westens fehlte. Wie hatten es die Perser, die Römer oder ein Grieche wie Alexander, den man selbst in Xi Xia als großen Eroberer der Vergangenheit kannte, je geschafft, bedeutende Reiche zu gründen und zu erhalten, wenn schon ihre Sprache so wirr war! Keine Ordnung der äußeren Dinge ohne eine Ordnung der Gedanken, das war Lis tiefe Überzeugung. Und wie konnte es eine Klarheit und Harmonie der Gedanken geben, wenn sie ständig durch die Sprache behindert wurden?
    Vielleicht lag hier der tiefere Grund dafür, dass das Reich der Römer zerfallen war. Bruder Anastasius erklärte ihr, dass derzeit im Westen zwei Kaiser für sich beanspruchten, Erbe des römischen Imperiums zu sein. »Aber nur einen davon kann man ernst nehmen. Er herrscht in Konstantinopel.«
    »Und was ist mit dem anderen?«
    »Er herrscht von einem kalten, barbarischen Land aus, das jenseits eines großen Gebirges mit dem Namen Alpen liegt.«
    »Ein Barbarenkaiser«, schloss Li. »So etwas hat es auch im Reich der Mitte des Ostens schon gegeben. Im Krieg wird sich erweisen, welcher Kaiser das Erbe antreten darf.«
    »Sie kämpfen zurzeit nicht gegeneinander. Stattdessen tauschen sie Prinzessinnen.«
    »Das ist fast so klug, wie Kriege durch das Gerede von Diplomaten zu gewinnen!«
    Die Abstände zwischen den Oasen, in denen sie die Trinkwasservorräte an den Brunnen auffüllen konnten, wurden Lis Gefühl nach immer größer. Sie blieben selten länger als eine Nacht. Die Treiber sorgten dafür, dass die Kamele so viel Wasser soffen, wie sie aufnehmen konnten, und es wurden ein paar Lebensmittel gekauft. Dörrfleisch und getrocknete Früchte, manchmal Trockenfisch, der aus einigen weit entfernten, völlig von Land umgebenen Meeren stammte und den Weg bis hierher gefunden hatte, waren besonders beliebt, da sie sich gut hielten. Die Märkte waren klein. Trotzdem wurden Abgaben verlangt. Es schien entlang dem Weg, den die Seide nach Westen nahm, keine großen Reiche mehr zu geben. Zumindest nicht auf diesem Stück. Und so musste Babrak der Feilscher immer wieder Tribut für den angeblich sicheren Durchzug entrichten. Allerdings war stark zu bezweifeln, dass in dieser Gegend überhaupt jemand die Macht hatte, einen solchen sicheren Durchzug zu garantieren.
    Li hörte, wie Babrak darüber fluchte, anstatt der nördlich der Wüste verlaufenden Route die südliche genommen zu haben, die zwar als die schnellere galt, aber auch als unsicher.
    In einem Marktflecken erlebten sie, wie der Schädelknochen eines unbekannten Tieres mitten auf dem Brunnenplatz ausgestellt wurde. Der Schädel war größer als alles, was Li zuvor bei einem Tier gesehen hatte. Er war fast so lang wie der Bauch eines Pferdes und erinnerte an den Kopf einer riesenhaften Schlange – oder eines Drachen. Li hörte die Leute darüber reden. Auch wenn das Uigurische, das hier gesprochen wurde, von der Sprache der Märkte in Xi Xia deutlich abwich, konnte sie doch einiges aufschnappen.
    Der Staub der Wüste hatte diesen Drachenkopf freigegeben.
    »Er ist ein Vermögen wert«, meinte Gao dazu. »Ich nehme an, dass man ihn zu Medizin zerkleinern wird.«
    »Auf jeden Fall haben wir Glück, dass uns der Kopf eines Drachen begegnet«, glaubte Meister Wang. »Es ist ein

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