Die Papiermacherin
von der eigentlichen Stadt trennte, zügelte Gero sein Pferd und drehte sich noch einmal im Sattel herum. Seine Augen wurden schmal, und auf seiner Stirn erschien eine tiefe Furche.
»Was beunruhigt dich?«, fragte Arnulf, der sein Pferd ebenfalls zügelte.
Gero antwortete nicht sofort. Er ließ den Blick über das Treiben am Hafen schweifen, wo gut ein Dutzend Schiffe gleichzeitig entladen wurden. Das Wiehern von verängstigten Pferden war zu hören, und die Rufe eines Händlers schallten, der vergeblich versuchte, einen störrischen Esel über das Fallreep zu lotsen.
»Ich dachte, ich hätte jemanden gesehen, der mir irgendwie bekannt vorkam!«, meinte Gero.
»Wer sollte das gewesen sein?«
»Ein Mann, der mir gestern in der Veteranenschänke der Waräger aufgefallen ist.« Gero deutete an sein Kinn. »Er hatte hier eine Narbe, an der kein Barthaar mehr wuchs. Irgendwie glaubte ich für einen Moment, dass er uns beobachtet, aber vielleicht habe ich mich auch getäuscht!«
»Hier ist jedenfalls weit und breit niemand zu sehen, auf den deine Beschreibung zutrifft, Gero«, stellte Arnulf fest.
Gero seufzte.
»Ja, da mögt Ihr wohl Recht haben, Herr!«
»Dennoch, es ist gut, wenn du weiterhin die Augen offen hältst!«
»Ja, Herr.«
Dann trieben sie ihre Pferde voran und sahen zu, dass sie Fra Branaguorno einholten, der vollkommen unbeirrt bereits das Tor passiert hatte.
Siebtes Kapitel
Der Prinz von Samarkand
Als Li die Türme und Kuppeln von Samarkand in der Ferne auftauchen sah, hielt sie einen Moment inne und glaubte, ein Traumbild vor sich zu haben – ein Trugbild, wie es die Karawanenführer in der flirrenden Wüstenglut fürchteten. Die Muezzine riefen von den Minaretten zum Gebet, und an den Toren stauten sich Händler und Kameltreiber, die Waren auf die Märkte der Stadt brachten.
Die Karawane war in den letzten Tagen nicht besonders schnell vorwärtsgekommen, was vor allem daran lag, dass die Kamele völlig überlastet waren. Schwere Barren trugen sie anstatt leichter Seide.
Die Trampeltiere, mit denen Thorkild Larsson Eisenbringer ursprünglich die Stahlbarren aus dem Süden Chorasans fortgebracht hatte, waren ihm an einem Fieber eingegangen, wie Li inzwischen wusste. Vielleicht waren sie auch einfach nicht richtig behandelt worden, oder es mangelte an fachkundigen Treibern. In einem langen Marsch waren Li und die anderen Gefangenen zusammen mit den erbeuteten Kamelen in ein Tal getrieben worden, in dem sie ein Teil von Thorkilds Männern mit den Barren erwartete. Die wenigen Kamele und Maultiere, die sich bei diesem Lager befanden, wären niemals in der Lage gewesen, auch nur die Hälfte der Barren zu laden und über eine längere Strecke zu tragen.
»Eine Stadt wie diese habe ich noch nie gesehen«, rief Li.
Meister Wang lächelte. »Du bist nie in Bian gewesen … Aber du hast Recht, verglichen mit allem, was uns seit unserer Verschleppung aus Xi Xia begegnete, ist dies ein Ort, der zivilisiert wirkt …«
Samarkand lag auf einer Hochebene, durch die sich der Fluss Serafchan zog.
Sie erreichten das prachtvolle Stadttor. Li fiel auf, dass es mit sehr vielen Wächtern besetzt war, und die Wehrgänge der Mauern vermittelten den gleichen Eindruck. Untrügliche Zeichen dafür, dass man sich vor äußeren Feinden fürchtete. Li hatte inzwischen einen feinen Instinkt dafür entwickelt. Ähnliche Zeichen gab es in den Oasenstädten, durch die sie zuletzt gezogen waren. Konnte es sein, dass die Furcht vor dem Kara Khan sich auch hier noch bemerkbar machte? Anscheinend ja.
Die Wachen ließen Thorkild und sein Gefolge schließlich passieren, nachdem er einen Ring vorgezeigt hatte, der ihm offenbar besondere Privilegien verschaffte. Und außerdem wechselten einige Silbermünzen den Besitzer.
In der Stadt herrschte geschäftiges Treiben. Menschen in bunten Gewändern bevölkerten die Straßen, und Li kam sich ziemlich schäbig vor in ihrer Kleidung. Grob gewebte Gewänder und Hosen, wie sie die Nomaden trugen, sah man kaum in den Straßen dieser prachtvollen Stadt. Blau schimmerten Kuppeln und Türme.
Die Kamele wurden in einer Karawanserei versorgt, und dort lud man auch die Stahlbarren zunächst einmal ab. Was die Nordmänner untereinander redeten, verstand Li nicht, aber offensichtlich schärfte Thorkild ihnen ein, die Barren nicht aus den Augen zu lassen. Zwischenzeitlich rief er Li herbei, damit sie für ihn übersetzte. Die Kameltreiber verstanden ihr Uigurisch,
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