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Die Parallelklasse - Ahmed ich und die anderen - Die Luege von der Chancengleichheit

Die Parallelklasse - Ahmed ich und die anderen - Die Luege von der Chancengleichheit

Titel: Die Parallelklasse - Ahmed ich und die anderen - Die Luege von der Chancengleichheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Bauer
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Mailbox wirklich nicht ab, jedenfalls ruft er nicht zurück. In der Hoffnung, ihm erneut zu begegnen, jogge ich nun jeden Tag. Sogar eine Runde mehr als üblich. Aber Ahmed steht nie am Fußballkäfig.
    Ich laufe zu dem Mietshaus, in dem Ahmed mit seiner Familie gewohnt hat, als wir uns noch täglich sahen. Es stehen neue Namen auf den Klingelschildern, vornehmlich deutsche. Der Name »Ertüklü« fehlt. Das Haus ist nicht wiederzuerkennen. In meiner Erinnerung ist es ein grauer, zerbröckelnder Altbauklotz. Über dem Eingang waren noch Einschusslöcher aus dem Zweiten Weltkrieg zu erkennen. Das Treppenhaus roch nach Kohleofen und Katze. Das Schaufenster im Erdgeschoss war stets mit vergilbten Vorhängen verdeckt, eine rote Glühbirne leuchtete matt über der Treppe, die daneben hinunter in den Keller und den »Club73« führte. »73« wie die Hausnummer. Heute befindet sich in diesem Erdgeschossladen ein hübsch dekoriertes Geschäft für allerlei Dinge, die kein Kind braucht, aber die man Kindern kaufen kann, wenn man zu viel Geld und Zeit hat. Kleine Mützen mit Tigerohren. Hüttenschuhe aus hundert Prozent Schurwolle für 89 Euro. Eine hölzerne Nachziehente, »originalgetreu geschnitzt, wie aus den zwanziger Jahren!«. Solche Dinge. Dinge für Frauen und Männer, die Kinder als eine Mischung aus Lifestyle und Religion verstehen. Wenn diese Menschen eine bestimmte Gegend in einer Großstadt besiedeln, dann weiß man, dass diese Gegend die Verwandlung vom Geheimtipp zur Toplage abgeschlossen hat. Die Fassade des Hauses ist weinrot gestrichen, es wurden Balkone angebaut. Auf einem großen Transparent steht: »Quartier73 – Ihr neues Zuhause im pulsierenden Kiez. Helle, moderne, luxuriöse Apartments.« Das klingt nach dem Gegenteil von der Wohnung, in der die Ertürklüs hier einst lebten.
    »Kann ich Ihnen helfen?«
    Neben mir steht ein Mann in einem taillierten Anzug, der sein Haar zu einer beachtlichen Welle geformt hat und der zwei Smartphones auf einer Mappe balanciert.
    »Ich glaube nicht«, sage ich.
    »Gut, der Besichtigungstermin für die inserierte Wohnung war nämlich bereits um zwölf.«
    »Ich kenne das Haus von früher und dachte mir gerade, dass es sich sehr verändert hat.«
    »Und ob. Als wir das Objekt übernommen haben, war es in einem verwahrlosten Zustand. Aber Sie sehen ja, dass wir das gut hinbekommen haben.«
    »Leben denn noch Mieter von früher im Haus?«
    »Jeder Vormieter hatte natürlich die Möglichkeit, seine Wohnung nach der Modernisierung wieder zu beziehen. Die meisten wollten das aber nicht. Die waren gegen die Renovierung. Oder fanden die Ablösezahlung, die wir ihnen angeboten haben, attraktiv. Die Kaltmieten wurden nach der Modernisierung naturgemäß ein wenig angepasst.«
    »Gibt es freie Wohnungen, die ich mir ansehen kann?«
    »Tut mir leid. Die letzte wurde wie gesagt vorhin besichtigt. Und es gibt bereits viele Interessenten.«
    Der Mann hebt seine Mappe mitsamt den Smartphones in die Höhe: »Alles Bewerbungen!«
    »Die Gegend ist wohl sehr beliebt?«
    »Beliebt ist noch untertrieben. Jeder will hier wohnen. Jeder muss hier wohnen, wenn er was erleben will und trotzdem seine Ruhe braucht. Ich bin schon eine Weile als Makler unterwegs in Berlin, ich kenne die Nachbarschaft auch noch anders. Die Anwohnerstruktur hat sich rasant verändert. Ich muss nicht mal in unsere Unterlagen oder in den Immobilienteil gucken, um das zu sehen, Ich sage Ihnen, woran ich das sofort erkenne: An den Fenstern hier im Kiez. Achten Sie mal darauf. Sie werden kaum noch Rüschengardinen sehen oder grelles Neonlicht. Rüschengardinen haben nur alte Leute oder Türken, wenn ich das mal so sagen darf. Die Türken lieben Rüschengardinen und Neonröhren. Keine Ahnung, warum. Die neuen Mieter dagegen wollen dezentes Licht. Und Jalousien oder bunte Vorhänge. Oder sie hängen gar nichts vor ihre Fenster, damit alle Passanten sehen können, wie schön sie es haben. Klingt absurd, ist aber so, achten Sie mal darauf.«
    Der Makler mit der Wellenfrisur blickt auf seine Uhr. Es ist eine sehr große Uhr. »Gehen Sie doch einfach auf unsere Homepage, es werden neue Angebote kommen, das ist sicher. Es gibt hier genügend Häuser, aus denen man was machen kann.« Er lacht ein ungläubiges Lachen und läuft mit seiner prall gefüllten Mappe und den zwei Telefonen, die andauernd klingeln, davon in eine Zukunft, in der alle Badezimmer mit Sandsteinfliesen und Bidet ausgestattet sind, in der Raufasertapeten und

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