Die Parallelklasse - Ahmed ich und die anderen - Die Luege von der Chancengleichheit
Haustiere verboten sind und die Menschen ihm gerne 2,38 Monatsmieten Provision zahlen. Dafür, dass er ihnen zur Besichtigung die Wohnungstür aufschließt.
Auf der Internetpräsenz des »Quartier73« ist zu erfahren, dass die frisch sanierten Wohnungen zu einem Quadratmeterpreis von 10 Euro und 20 Cent vermietet werden. Sie liegen damit 120 Prozent über dem Mietspiegel. Sind aber für wohlhabende Interessenten aus schier unbezahlbaren Metropolen wie München, London, Stockholm oder New York sicher immer noch ein Schnäppchen. In dem Kiez, in dem Ahmed und ich lebten und in dem unsere Grundschule lag, hat das stattgefunden, was man mittlerweile allerorts »Gentrifizierung« nennt. Die Gegend war viele Jahre so schmuddelig, dass die Wohnungen billig waren. Deswegen war die Gegend interessant für Menschen, die genauso wenig Geld hatten wie die Ureinwohner, dafür aber viele Pläne. Sie eröffneten Galerien, Cafés und Boutiquen – und irgendwann verdienten sie damit auch Geld, weil Junge, Kreative, Schöne aus der ganzen Stadt, dem ganzen Land, der ganzen Welt kamen. Die Jungen, Kreativen und Schönen vor und in den Galerien, Cafés und Boutiquen wiederum lockten Menschen an, die nicht mehr jung sind oder schön, auch nicht kreativ – dafür aber reich und die Nähe zu den Jungen, Schönen und Kreativen suchen.
Die Arbeitslosenquote im einstigen Schmuddel-Quartier liegt noch immer bei gut 19 Prozent. Und die Bewohner, die Arbeit haben, verdienen etwa 25 Prozent weniger Lohn als der Bundesdurchschnitt. Die Zuziehenden dagegen sind allesamt verhältnismäßig gutverdienend. Kein Wunder, dass die Hausbesitzer jetzt die alteingesessenen Geringverdiener mit diversen Schikanen und dreisten Mieterhöhungen aus ihren Wohnungen vertreiben wollen. Betroffene Mieter berichten von Wasserschäden, die partout nicht beseitigt werden, von ausdauerndem Baulärm oder von plötzlichen Kündigungen, nur weil die Miete einmal einen Tag zu spät überwiesen wurde. Der Wohnraum im Kiez ist mehr wert, als die Leute bezahlen, die ihn seit vielen Jahrzehnten bewohnen. Erst wenn ein neuer Mietvertrag unterschrieben wird, müssen sich die Vermieter nicht mehr an gesetzliche Grenzen für Mietsteigerungen halten. Um 7,2 Prozent stiegen zuletzt die Mieten bei Neuvermietungen im gesamten Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, stärker als zur gleichen Zeit in allen anderen Berliner Bezirken. Und selbst weite Teile des angrenzenden Neuköllns, viele Jahre eine No-Go-Area, sind mittlerweile attraktive Wohngegenden geworden. Die »Prinz Von Preussen Grundbesitz AG« vermeldet bereits höchst erfreut, Kreuzberg sei ein »Magnet für moderne und solvente Kosmopoliten und Kreative aus der Medien-, Film- und Modebranche«. In den kommenden zehn bis zwanzig Jahren, so die Prognose des Unternehmens, könnten »die Preise das Niveau von Paris und London erreichen.« Wenn das mal keine gute Nachricht ist. Für die »Prinz Von Preussen Grundbesitz AG«.
Im gleichen Viertel, in dem auch unsere Grundschule steht, entstanden vor zwei Jahren die »Carlofts«. Sonnige Fabriketagen, deren Alleinstellungsmerkmal es ist, dass der Besitzer sein Auto mit einem Aufzug bis vor die Wohnungstür fahren kann. Die Kaufpreise für diese sehr exklusiven Penthouses beginnen bei einer halben Million Euro. Gleich um die Ecke steht eine gigantische Neubausiedlung, die in den achtziger Jahren neu war und in der Familien wohnen, die knapp über und auch unter der Armutsgrenze leben. Doch selbst solche Sozialwohnungen sind vor den extremen Mietsteigerungen nicht mehr sicher. Sie gehören zu insgesamt 28 000 zwischen 1987 und 1996 errichteten Sozialwohnungen, die vom Land Berlin mit 3,9 Milliarden Euro gefördert wurden. Angesichts eines Schuldenberges von sechzig Milliarden Euro, stoppte im Jahr 2003 ausgerechnet der damalige Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin weitere Zuschüsse, die den Vermietern einst versprochen worden waren. Dank dieser Kürzung konnten die Vermieter in der Folge ganz legal deutlich höhere Mieten verlangen, sogar rückwirkend für bis zu 23 Monate. Das Problem: Die Mieten sind nun oft höher, als erlaubt – höher, als es den Mietern erlaubt ist. Arbeitslose bekommen von der Arbeitsagentur vorgeschrieben, wie viel ihre Wohnung kosten darf. In vielen Fällen können sich die sozial bedürftigen Bewohner von Sozialwohnungen nun die Sozialwohnungen nicht mehr leisten. So wurde etwa der Fall einer türkischen Familie bekannt, deren Kaltmiete von 668,06 Euro auf
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