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Die Parallelklasse - Ahmed ich und die anderen - Die Luege von der Chancengleichheit

Die Parallelklasse - Ahmed ich und die anderen - Die Luege von der Chancengleichheit

Titel: Die Parallelklasse - Ahmed ich und die anderen - Die Luege von der Chancengleichheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Bauer
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Glück gehabt!« Er fällt in den Sitz und zwei Stationen später ist er eingeschlafen. Er hat noch eine weite Fahrt vor sich. Ich steige aus und lasse den schlafenden Cem weiter bis zu Endstation schaukeln. Er wird dort sicher sein. Er hat seiner Freundin vorhin eine SMS geschrieben. Sie wartet auf ihn. Sie hat sich Sorgen gemacht. Er war zu lange in der Stadt. Er hat hier nichts verloren, nur den Kampf um seinen kleinen Bruder. Cem konnte sich früher nicht um ihn kümmern, weil er mit sich selbst beschäftigt war. Elin dagegen hat ihren kleinen Bruder fast bis zum Abitur gebracht. Dann passierte etwas Schlimmes. Cem hatte seinen Bruder letztes Jahr fast schon davon überzeugt, zu ihm ins Rentnerparadies zu ziehen. Der Bruder wollte nicht, es war ihm zu ruhig dort draußen. Noch ist ihm nichts passiert.
    Wenn der kleine Bruder Glück hat, wird ihm nicht so viel passieren wie Cem.

7.
    Von Vätern und anderen Fehlern
    Ich hätte es wissen können. Der Fahrstuhl sah nicht so aus, als sollte man ihn benutzen. Die Innenwände beschmiert, der Boden rostig, die Knöpfe angekokelt. Aber Aylin wohnt im vierzehnten Stock. Die Tür des Fahrstuhls schloss sich quietschend, die Kabine rumpelte nach oben, es gab einen lauten Schlag – dann passierte nichts mehr.
    Ich bin gefangen in einem kleinen Fahrstuhl in einem großen Neubau, der nicht mehr neu ist, in einer verödeten Gegend in der Nähe des einstigen Todesstreifens an der Berliner Mauer. Ich drücke den Notfallknopf, aber der scheint nur eine Attrappe zu sein. Nach einer Weile höre ich eine Männerstimme.
    »Hallo?«
    »Ja, ich bin hier drinnen, es geht nicht weiter!«
    »Natürlich geht dit nicht weiter!«
    »Was soll ich machen?«
    »Du sollst die Treppe nehmen!«
    »Sehr lustig, was soll ich denn jetzt machen, verdammt, auf den Notfallknopf reagiert niemand.«
    Der Mann kichert.
    »Wat denkst du denn? Dass dieses Haus mit dem BND verkabelt ist? Warte noch zehn Minuten, dann ruft Frau Merkel zurück.«
    »Okay, was schlagen Sie denn vor?«
    »Ick schlage vor, du benutzt jetzt mal deine Arme, nicht deinen Kopf.«
    Ich höre ein Ächzen. In den Spalt der Aufzugtür schieben sich dünne, faltige Finger. Der Mann ächzt lauter. Dann schieben sich die zwei Flügel der Aufzugstür langsam auseinander. Durch den Spalt schaut mich von unten ein schmächtiger Mann mit einer Trinkernase an.
    »Na, los, oder willst du dich wie ein kleines Mädchen von nem alten Mann retten lassen? Hilf mit!«
    Gemeinsam schieben wir die Tür auseinander, ich klettere den halben Meter hinunter. Der Mann, vielleicht siebzig Jahre alt, graue Haare, graues Cordsakko, stellt sich als »Herr Yildiz, der erste Mieter dieses Hauses« vor.
    »Der erste Mieter?«
    »Ick war der Erste, der hier reingezogen ist. Was Moderneres finden sie nicht, haben die gesagt. Dit ist was für die Ewigkeit, haben die gesagt. Das haben wir extra für euch Gastarbeiter gebaut, haben die gesagt. Ick hatte ja keine Ahnung damals, ick hatte zuhause aufm Dorf gewohnt, innen Bergen über Antalya. 1970 war dieses Haus ein Knüller. Da fuhr dit Ding auch noch!«
    »Warum hängt denn hier kein Schild, dass der Aufzug gefährlich ist?«
    »Ach, gefährlich sind in diesem Haus die Leute, nicht der Aufzug, mein Junge. Man braucht Glück. Manchmal fährt er. Manchmal nicht. Eigentlich fährt er nur ganz selten hoch. Aber ich probiere es jeden Tag. Es ist wie mit den Bewohnern. Nach oben kommen sie schwer, nur abstürzen können sie gut, immer tiefer und tiefer und tiefer.«
    Der erste Mieter ist offenbar auch der Philosoph des Hauses. Er setzt nun in Zeitlupe sein rechtes Bein auf die erste Stufe, dann das linke auf die nächste.
    »Wie hoch müssen Sie?«, frage ich.
    »In den zehnten. Also überhol mich. Ich bin erst zum Abendessen zuhause.«
    Aylin weiß nicht, dass ich sie besuche. Ich habe ihre Adresse. Mehr nicht. Ein junger Mann mit einer Baseballmütze auf dem Kopf öffnet die Tür. Im Hintergrund streiten zwei Frauen auf Türkisch und ein Kind schreit ein Kinderschreien, das auch Deutsch sein könnte. Der Mann sagt nichts, er guckt nur fragend. Ich sage ihm, dass ich nach Aylin suche. Er lehnt die Tür an. Die Frauen schreien sich weiter an. Dann schreit nur noch das Kind. Es vergehen zehn Minuten. Der Mann kommt erneut zur Tür. »Sie muss noch ins Bad«, sagt er und verschwindet. Ich höre eine der beiden Frauenstimmen, die tiefere, weiterschimpfen, jetzt dumpfer, durch eine Tür wahrscheinlich. Ich höre das Klappern und

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