Die Party Queen von Manhattan - Roman
deine Eltern. Nur anders.« Er trank einen Schluck Scotch, den meine Eltern extra für ihn besorgt hatten, und lächelte Simon an. »Wir sind ein richtiges Ehepaar. Wir streiten uns und vertragen uns wieder, und ich traue mich sogar, ihm in die Wahl seiner Kleidung hineinzureden. Ganz wie in einer Ehe.«
»Nun, das war ein sehr interessantes Thema, nicht wahr?« Mein Vater räusperte sich. »Eines solltest du dir merken, Bette. Du musst immer alle Leute gleich behandeln, auch wenn sie anders sind als du.«
Wie langweilig. Ich hatte keine Lust auf noch einen seiner Friede-Freude-Eierkuchen-Vorträge, deshalb setzte ich alles auf eine Karte - und auf meine letzte Frage. »Wann hast du gemerkt, dass du schwul bist, Onkel Will?
Er nahm noch einen Schluck und sagte: »Ich glaube, als ich in der Army war. Eines Tages ging mir auf, dass ich schon seit einiger Zeit intim mit meinem befehlshabenden Offizier verkehrte«, antwortete er nachdenklich. Dann nickte er, nun war er sich sicher. »Ja, genau. Und das hat mir doch sehr zu denken gegeben.«
Ich wusste zwar nicht genau, was »intim mit jemandem verkehren« und »befehlshabender Offizier« bedeutete, aber das machte nichts. Das laute Japsen meines Vaters und der messerscharfe Blick, den meine Mutter Will zuwarf, genügten mir vollauf. Als ich ihn Jahre später fragte, ob er seine Vorliebe für Männer tatsächlich in der Army entdeckt hätte, sagte er lachend: »Ich weiß nicht, ob es da anfing, Darling. Auf jeden
Fall war es die einzige Anekdote, die man bei Tisch erzählen konnte.«
Er nippte entspannt an seinem Martini und sah mich abwartend an. Aber bevor ich ihm von meinem neuen, aufregenden Leben erzählen konnte, sagte er: »Ich nehme an, deine Eltern haben dich auch zum Erntedankfest eingeladen?«
»Haben sie, ja«, seufzte ich. Jedes Jahr luden meine Eltern an Thanksgiving alle Freunde und Bekannten zu einer großen Gartenparty ein. Sie fand immer an einem Donnerstag statt, und es gab nie Truthahn. Mutter hatte mich erst vor ein paar Tagen am Telefon daran erinnert. Vater und sie rechneten fest mit mir. Will und Simon sagten jedes Jahr erst zu und dann in letzter Sekunde mit irgendeiner Ausrede wieder ab.
»Wenn du möchtest, nehmen wir dich am Mittwoch nach der Arbeit im Auto mit«, bot Will an. Ach ja? Wer’s glaubt, wird selig. »Und was macht die Arbeit? Nach allem, was man so liest, scheinst du dich ihr ja mit Haut und Haar verschrieben zu haben.« Er verzog keine Miene, aber seine Augen blitzten schelmisch, und ich gab ihm einen Klaps auf die Schulter.
»Hm, du meinst vermutlich den New York Scoop. Wieso haben sich diese Schmierfinken eigentlich ausgerechnet auf mich eingeschossen?«
»Sie nehmen jeden ins Visier, Darling. Kolumnisten dieses Kalibers - ob im Internet oder in den Printmedien - betrachten es nun einmal als ihre einzige Aufgabe, Klatsch und Tratsch aus der Luxusetage zu verbreiten. Hast du den letzten Artikel gelesen?«
»Sag bloß, es gibt schon wieder einen neuen?« Mir schwante nichts Gutes.
»Und ob, Darling. Leider. Meine Assistentin hat ihn mir vor einer Stunde gefaxt.«
»Ist er schlimm?«, fragte ich. Dabei wollte ich die Antwort gar nicht wissen.
»Schmeichelhaft ist er nicht gerade. Weder für dich noch für mich.«
»Das darf doch wohl nicht wahr sein. Dass sie sich für Philip interessieren, ist ja noch irgendwie verständlich. Und dass sie über mich berichten, damit muss ich mich anscheinend wohl oder übel abfinden. Aber jetzt nehmen sie auch noch dich aufs Korn?«
»Ich kann mich verteidigen, Darling. Natürlich gibt es Schöneres, aber ich komme damit schon klar. Was dich angeht, hast du völlig Recht. Du wirst dich damit abfinden müssen. Allerdings möchte ich dir dringend raten, dir in der Öffentlichkeit keine allzu großen Dummheiten zu leisten, zumindest dann nicht, wenn du in Begleitung eines gewissen Herrn auftrittst. Aber damit sage ich dir gewiss nichts Neues.«
Ich nickte. »Ich frage mich bloß, was an mir so spannend sein soll. Ich bin ein Niemand. Tagsüber gehe ich brav zur Arbeit, abends gehe ich aus - und warum? Weil ich muss. Trotzdem liegt plötzlich mein ganzes Leben auf dem Präsentierteller, und jeder kann sich nach Lust und Laune davon bedienen.«
»Nicht dein Leben - sein Leben«, korrigierte Will und spielte abwesend mit dem schmalen Platinreif an seinem Finger, den Simon »unseren Ehering« nannte und Will »Simons Schmusedecke«.
»Das stimmt natürlich. Aber ich stecke heillos mit
Weitere Kostenlose Bücher